Dienstag, 29. September 2020

ANGELA SCHANELEC: "Das Glück meiner Schwester"

KINOGESPRÄCH mit  ANGELA SCHALENEC (Regie, Buch, Schnitt) und
REINHOLD VORSCHNEIDER (Kamera)
im Kommunalen Kino des DFF-Deutsches Filminstituts Filmmuseum in Frankfurt am Main am 20. April 1996


Foto: DFFB 

1996 hatte ich schon ein paar Kinogespräche besucht und Gefallen daran gefunden, Filmemachern live zuzuhören. Im April tat ich dafür meine bisher längste Reise. Es ging nach Frankfurt/M in das DFF, das Deutschen Filminstitut und Filmmuseum. 1971 wurde dort ein Kommunales Kino eingerichtet und durch irgendeine Ankündigung wusste ich von einem Kinobesuch einer Regisseurin. Damals habe ich zwei Drehbuch-Seminare im Frankfurter Filmhaus bei Thomas Carle besucht. Wahrscheinlich hatte ich deshalb meine Fühler in die 100 Kilometer entfernte Mainmetropole ausgestreckt. Von Berliner Schule oder Angela Schanelec selbst hatte ich noch nichts gehört. Es war auch erst die Anfangszeit dieser Stil-Periode, die bis heute internationalen Anklang genießt. 

ANGELA SCHANELEC, verantwortlich für Drehbuch, Regie und Schnitt bei dem Film DAS GLÜCK MEINER SCHWESTER und ihr Kameramann REINHOLD VORSCHNEIDER saßen vor der Leinwand im KOMMUNALEN KINO Frankfurt. 

Ein Moderator saß bei ihnen und fragte etwas, was ihm anscheinend sehr auf der Zunge brannte. Die Tonqualität schien für ihn misslungen gewesen zu sein und fragte, was denn da passiert sei. Diese erste Konfrontation prallte jedoch an Angela Schanelec sofort ab. Sie antwortete, dass es ihr wichtig war, die Geräusche der Stadt hervorzuheben. Dann wäre eben mal ein Lastwagen lauter als der Dialog der Figuren. Diese Geräuschkulisse stand für das Leben in der Stadt.

Daraufhin wollte der Moderator von Reinhold Vorschneider wissen, ob es wegen dem Ton irgendeine Absprache mit der Kameraabteilung gab. Vorschneider war irritiert, da die Frage an die falsche Abteilung gerichtet wurde. Was hat schon die Kameraarbeit mit dem Ton zu tun? Doch er sagte ganz ruhig, dass es keine Absprachen gab. Der Ton wurde aus der Situation mitgenommen. Der Ton muss sich in den Fällen meistens eben dem Bild immer noch unterordnen.

Doch der Moderator ließ nicht los. Eine Szene an einer Mauer war ihm aufgefallen. Zwei Personen unterhielten sich. Es war eine Bildeinstellung in der Totalen, also sehr weit weg. Wie wurde da der Ton aufgenommen, denn auch da beherrschten Störgeräusche die Geschichte?


Schanelec gab daraufhin zu, dass dort, wie auch bei anderen Szenen der Ton der Schauspieler später aufgenommen wurde und somit synchronisiert war. Eine Stadt ohne Krach würde für sie nicht funktionieren. Die Geschichte  konnte sie sich anders nicht vorstellen. Das Landleben wäre da ganz anders. Die persönliche Entwicklung und die Entfaltung ist dort ganz anders strukturiert. Ihre Geschichte hätte sich dort nicht abgespielt. 
Berlin hatte sich da gut angeboten, weil dies ihr Lebensmittelpunkt zu dieser Zeit darstellte. Auch hier Debütfilm ICH BIN DEN SOMMER IN BERLIN GEBLIEBEN hatte dort seinen Schauplatz. Vielleicht hätte es in Hamburg auch funktioniert, doch Berlin lag einfach vor der Tür. 


Danach durfte sich das Publikum melden. Die erste Frage umfasste die Farbdramaturgie. Es waren oft nur ein paar Gelbtöne zu sehen, wenn es denn überhaupt mal bunter wurde. Es spielte zwar im Winter und alle Figuren sahen immer so aus, als würden sie frieren. Aber hätte diese Farbdramaturgie auch etwas mit dem Stadtleben, vielleicht auch mit Berlin zu tun?

Ja, es hatte was mit der Stadt zu tun, bemerkte Schanelec, aber es hätte nicht direkt mit Berlin zu tun. Es würde für sie Normalität zeigen.

Den Rest konnte ich mit meinem Protokoll, das ich mitschrieb, als direkte Diskussion zusammenfassen. 


Moderation: Ich finde es auch sehr gut, dass die Stadt in einem "normalen" Bild gezeigt wird und nicht, wie z.B. "Nur aus Liebe", BRD 1996, der gerade im Kino läuft und mit allen möglichen Sehenswürdigkeiten ausgestattet ist . Ich fand es einfach schrecklich, wenn die Katja Riemann unbedingt durch das Brandenburger Tor fahren muss, damit der "dumme" Zuschauer noch einmal weiß: Aha! Wir sind in Berlin!  

Angela Schanelec antwortet nicht direkt auf diese Bemerkung, sondern es kommen wieder Zuschauer zu Wort.           

Zuschauer:  Mir hat das Licht gefallen. Es hatte wirklich etwas natürliches. Aber bei der Szene auf der Parkbank und später auch in der Wohnung, wo er sie fragt, ob sie glücklich sei, erinnere ich mich, dass sie da die aufgehende Sonne eingebaut haben? Man hat richtig gesehen, wie ihr Schein, der ins Zimmer fällt, auf den Darstellern gewandert ist. War das eine Lampe oder war das Zufall?

Vorschneider: Ja, wir hatten, glaube ich, 5 Takes gedreht (5x die Szene gedreht) und bei einer  Szene haben wir uns eben beim Schnitt für die Sonne entschieden. Die schien rein zufällig in den Raum. Das war in der Wohnung. Im Park haben wir nur einmal gedreht und dort war auch zufällig die Sonne hervorgekommen.

Schanelec: Wir haben oft auch so gedreht, dass wir zwei Lichtvarianten hatten. Einmal ohne Licht zu setzen, einmal haben wir nur ein bisschen Licht gestellt. Beim ersten Mal  hatten wir dann etwas Sonne. Da muss man auch etwas Glück haben. Aber meistens waren dies die besseren Bilder. Wir haben auch nie mehr als 5 Takes gedreht, da das Material sonst nicht mehr bezahlbar gewesen wäre. Und um noch mal etwas zu dem Ton und dieser Parkszene zu sagen: Wir hatten zunächst auf einer anderen Bank gedreht, an einer Stelle, wo es etwas ruhiger war. Ich wollte den Straßenlärm, den Ton, später dazu legen. Doch dort funktionierte einfach nichts, die Schauspieler spielten und verhielten sich ganz anders, als später auf der wirklich lauten Stelle an der Strasse.

Zuschauer: Ich weiß leider nicht wie es den anderen geht, aber auf mich wirkte dieser Film sehr depressiv. Oder war das für Sie einfach nur ein realistisches Bild zu wahren?

Schanelec: Ich weiß nicht, was realistisch für sie ist! Aber mich haben eigentlich nur diese drei Figuren interessiert.

Zuschauerin: Ja, gehen wir doch mal auf die Figuren ein. Denn für mich war dieser Christian nicht gerade ein Frauentyp! Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wie sich zwei Frauen um solch einen "hässlichen" Typen streiten können. Der ist doch nur willenlos, sonst nichts!

anderer Zuschauer: Aber für mich war ja der Typ in der Mensa ein Lichtblick. Diese Szene war doch ziemlich gut, warum gab es nicht mehr davon?

Schanelec: Ich war eigentlich nicht so an Lichtblicken interessiert. Ich wollte diese Geschichte erzählen.

Zuschauer: Für mich, muss ich jetzt ehrlich mal sagen, war dieser Film kaum auszuhalten. Also auf einem Filmfestival wäre ich bereits rausgegangen. Zum Beispiel diese unendlich langen Dialoge auf der Bank im Park. Ich habe nach  einer Weile nicht mehr zugehört. Vielleicht liegt es ja an meiner Erziehung. Denn dort waren auch so viele intime Dialoge, dass ich einfach abgeschaltet habe.

anderer Zuschauer: Also, das kann ich jetzt nicht so im Raum stehen lassen, dass dieser Film nicht auszuhalten gewesen sein soll. Dieses Werk ist nicht einfach für das normale "Wohlfühlkino" gedacht. Er ist nicht wie andere Filme, die für den Mainstream gedacht sind.

Zuschauer: Für mich war das Ende nicht zufriedenstellend. Dass Isabel einfach die Flucht antritt, sehe ich als eine ziemlich leichte "organische" Lösung, die ich einfach zu aufgesetzt finde. Das ist für mich zu konstruiert!

Zuschauer: Aber man weiß ja nicht, ob Ariane bei ihm bleibt. Am Ende steigt sie aus dem Auto. Das könnte auch etwas anderes bedeuten.

Frau Schanelec möchte auf diese Aussagen wieder nichts mehr hinzufügen.

älterer Zuschauer: Ich muss erst einmal sagen, dass mir der Film gefallen hat. Nun habe ich aber noch zwei Fragen, wobei ich für die erste Frage vorausschicken muss, dass der Mensch ja nicht vom Brot allein lebt. Also, frage ich sie, wovon leben sie? Außer natürlich vom Brot? Und ich möchte fragen, wie sind sie eigentlich politisch eingestellt?

Schanelec: Diese erste Frage verstehe ich jetzt überhaupt nicht und Politik interessiert mich nicht sehr. Ich interessiere mich nicht dafür, was die Politiker da sagen und machen.

älterer Zuschauer: Ja, aber wovon leben sie?

anderer Zuschauer: Vom Standpunkt gesehen oder was?

anderer Zuschauer: Nein, ich glaube der Herr will fragen, woher sie die lebensnotwendige Kraft nehmen. Wie schafft sie das? Oder war meinen sie?

älterer Zuschauer: Nein, wovon sie leben, wollte ich fragen.

Schanelec: Also, ich lebe eigentlich ganz normal. Ich schreibe ein Drehbuch und versuche einen Film daraus zu machen und Geld dafür zu bekommen, das ist alles! 

Der Film "Das Glück meiner Schwester" bekam an diesem Abend, am 20.4.1996 den  Preis der Deutschen Filmkritik, welcher Frau Schanelec persönlich übergeben  wurde.


Montag, 28. September 2020

PHILLIP NOYCE: "Long Walk Home"

KINOGESPRÄCH MIT PHILLIP NOYCE    

am 07.05.2003 im Abaton-Kino in Hamburg


LONG WALK HOME  auf imdb
Foto: Arsenal Filmverleih


Verleih-Chef Arsenal Film: Vielen Dank an das Abaton-Kino, dass wir heute den australischen Film „Follow the Rabbit-Proof Fence“ vorführen können, der in Deutschland „Long Walk Home“ heißen wird.

Gelächter aus dem Publikum.

Verleih-Chef: Ja, sie glauben es wirklich nicht. Aber viele kreative Gehirne haben es nicht geschafft, einen deutschen Titel dafür zu finden. Es geht los von "Langer Weg nach Hause" bis über "Immer den Kaninchen-Schutz-Zaun entlang". Ich glaube, wir wären umgebracht worden, wenn wir das gemacht hätten!  Der Film wird jedenfalls mit 50 Kopien am 29. Mai im ganzen Bundesgebiet in ausgewählten Kinos starten, also auch hier im Abaton. Und jetzt übergebe ich das Wort an John Langtry, von der australischen Botschaft in Berlin.

Australien. Botschaftsgesandte, John Langtry: Ich möchte ihnen etwas über das Filmland Australien erzählen, denn Film hat bei uns eine lange Tradition. Bereits 1890 wurden die ersten Filme kurz gedreht und einer der ersten Langfilme wurde 1906 ebenfalls in Australien gedreht.  Außerdem kommen sehr bekannte Schauspieler von diesem Kontinent, mehr als sie denken. Da sind zum Beispiel Cate Blanchett, Mel Gibson, natürlich, Nicole Kidman, Naomi Watts von „Mullholland Drive“. Sie sind unsere Exportschlager. Erst letztens wurde die Fortsetzung von „Matrix“ in Sidney abgedreht und auch die Innenszenen des Pariser „Moulin Rouge“ wurden in einem Studio in Sidney gedreht.  Nicht zu vergessen ist deshalb Philip Noyce, der nach „Todesstille“ mit Nicole Kidman ebenfalls in Hollywood Fuß gefasst hat und Filme wie „Das Kartell“ oder „Stunde der Patrioten“ drehte. Nun verfilmt er ein Buch von Doris Pilkinton. Dabei geht es um eine unrühmliche Zeit in der australischen Geschichte: Die Verschleppung von Mischlingskindern aus den Aborogines Stämmen. Sie wurden den Müttern und Familien entrissen und in Erziehungslager gesteckt, wo sie zu Dienern ausgebildet wurden. Diese Kinder werden heute als "verlorene Generation" bezeichnet. Dieser Film wurde ja bereits in Berlin gezeigt und es kamen sehr interessante Fragen auf. Es entstand eine Debatte. Deshalb bin ich heute auf die Fragen sehr gespannt! 

Moderator: Wie sind sie auf diesen Stoff gekommen? Wie kam es zu diesem Film?

Phillip Noyce: Nun, es war in den USA um 3:15 Uhr morgens, als plötzlich mein Telefon klingelte. Ich drehe gerade einen Film mit Denzel Washington und Angie Jolie. Jedenfalls war eine Drehbuchautorin am Telefon, die irgendwie dummerweise meine Nummer hatte. Gut, in diesem Herbst war es eher Glück, denn Christine Olsen ist eine angesehene Dokumentarfilmerin, die ein Buch über die „gestohlene Generation“ schreiben wollte. Sie überzeugte mich, das Buch zu lesen und diese Geschichte liess mich nie wieder los.  So kam ich auch zurück nach Australien und nur zwei Wochen später drehten wir die erste Szene mit den zwei alten Frauen, also den "echten Frauen" Molly und Daisy in der Wüste.

Moderator: Die Kamera hat ja Christopher Doyle geführt, der aber eher aus dem asiatischen Bereich bekannt ist, mit Filmen wie "Chunking Express" oder jetzt "Hero".  Wie haben sie ihn kennengelernt?

Noyce: Ich habe Chris 1979 in Taiwan zum ersten Mal getroffen. Dort dreht er einen Film mit einem damals noch nicht so bekannten Schauspieler namens Mel Gibson. Seit dieser Zeit schrieben wir uns immer mal Postkarten. Doch einmal wollte ich ihn am Set treffen und er sagte nur zu mir: „Wenn du ans Set kommst, folge einfach nur den Wagen, dann kommst du auch zum Director of Photographie, also zu mir. Denn es ist ja so, dass am Set sehr viele Autos stehen, die immer größer werden, um so näher du kommst. Bei der größten Limousine würde ich ihn dann treffen“, so meinte er. Natürlich war das nur ein Scherz, denn als ich dort ankam, waren da keine großartigen Autos und er selbst stand da, hatte eine Kamera auf der Schulter und mit dem anderen Arm hielt er eine Lampe. Das war das ganze Team! Davor stand nur zwei Schauspieler.

Moderator: Außerdem haben sie noch Kenneth Brannagh als Schauspieler gehabt, der aber kein Australier ist und Peter Gabriel, der die wunderschöne Musik dazu geschrieben hat, aber auch jemand von der Insel ist. Wie ist es da zu dem Kontakt gekommen?

Noyce: Nun, bei PETER GABRIEL war es so, dass ich seit seinem Soundtrack zu "Die letzte Versuchung Christie" auf ihn aufmerksam geworden war. Und dann habe ich ihn getroffen und habe zu ihm gesagt, dass ich gleich zwei Projekte für ihn hätte. Das wäre eine Gage von einer halben Million Dollar und heißt "The Quiet American". Da fragen er mich, was mit dem Zweiten wäre. Das Zweite, nun ja, da würde es gar kein Geld geben, wegen des kleinen Budgets. Das war dann "Long Walk Home".  Er hat mich dann zwei Tage später angerufen und mir gesagt, dass er nur das zweite Projekt machen wollte. Denn er wollte Musik machen, "die aus der Erde käme", Weltmusik. Er hat ja in der Richtung schon einiges produziert. UUnd Kenneth ist dafür bekannt, dass er Drehbücher an einem einzigen Tag lesen und bewerten kann und dementsprechend kam auch schnell die Zusage.

Zuschauer: Was tun die Darsteller der drei Kinder heute?

P.Noyce: Sie tun das, was Kinder eben tun sollten. Die Kleine geht in die Schule, die Mittlere ebenso, nur mit der Großen gibt es da so eigene Probleme. Sie war noch nie in der Schule und geht deshalb auch immer noch nicht hin.

Zuschauer: Wie haben sie die Mädchen gefunden?

P.Noyce: Nun, wir haben gesucht. Wir sind viel herumgeflogen, herumgefahren und sind auch viel gelaufen! Aber wir hatten auch überall unsere Leute, die haben viel fotografiert. Wir wollten Kinder haben, die noch einen intakten Bezug zur Kultur und zur Natur haben. Dann haben wir sie gefunden! Auch im Südwesten von Australien.

Zuschauer: Wie war das Umschalten auf Hollywood zurück, after sie wieder in Australien gedreht haben?

Noyce: Nun, Hollywood ist tragisch. Ich war noch gar nicht wieder in Hollywood. Fragen sie mich noch mal, wenn ich wieder da war.

Zuschauer: Aber wie würden sie den Unterschied beschreiben, "Stunde der Patrioten"  war ja ein ganz anderer Film als "Long Walk Home".

Noyce: In Hollywood hängt alles vom Test-Screening ab. Jenes bestimmt, wie der Film werden muss, war manchmal sehr frustriert. Du stehst unter einem enormen Druck. Bei STUNDE DER PATRIOTEN hatte ich zum Beispiel mit Harrison Ford einige Meinungsverschiedenheiten. Schon als Schauspieler hat er eine sehr große Macht und eingesetzt durch, dass der Film zu Einem Test-Screening kommen sollte, um festzustellen, wer Recht hatte!  

Zuschauer: Was planen sie als nächstes?

P.Noyce: Ich werde einen Film über eine amerikanische Pastorale drehen, mit Philip Roth, Nicole Kidman und Anthony Hopkins. Es wird mit unabhängigem Geld gedreht, also ein Art Independent-Film.

Zuschauer: Ein Sprichwort aus der Branche, besagt, dass es am schlimmsten ist, mit Tieren oder mit Kindern zu drehen. Wie war ihre Erfahrung?

Noyce: Nein, das stimmt nicht, Hollywood-Stars sind die schlimmsten! Die Kinder waren großartig. Sie waren frei, können keine Tricks, waren einfach sie selbst, sie taten es einfach, was man ihnen sagte, schaut in die Kamera. Es war wunderschön.  Und die Große, die Molly gespielt hat, war ihr im Charakter sehr ähnlich, also sehr stark, selbstbewusst, klug.

Zuschauer: Was ist eigentlich aus Gracie geworden?

Noyce: Nun, sie ging irgendwann aus dem Lager, heiratete und starb ziemlich früh. Sie hatten starke Alkohol-Probleme.

Zuschauer: Wie ist heute die politische Situation, insbesondere in der  Aborigines-Frage?

Noice: Es hat sich verbessert. Es hat sich etwas verändert. Es sind schon gute Ansätze zu bemerken, trotz einiger Rückschläge. Schon allein von der Tatsache her, dass die "Weißen" einsehen mussten, dass die große und wichtige Masse an Touristen nicht kam, um sich Weiße anzusehen! Außerdem ist der Respekt gegenüber der Kultur gewachsen. Sie werden nicht mehr als dumm und rückständig angesehen. Sie verkörpern den Geist zu dem Land. In den Schulen wird dieses Thema diskutiert. Nicht so wie früher, wo eine andere Geschichtsschreibung galt. Ich komme aus dem Nordosten und die Geschichte spielte sich ja im Süd-Westen ab. Dort ist alles noch etwas härter, engstirniger. Es leben dort nicht sehr viele Menschen und schon gar nicht "im Land", sondern eher in den Städten. Der Westen wurde ja viel später besiedelt. Ich habe auch dieses Thema als junger Mensch nie großartig mitbekommen. Ich hab nur diese Menschen hinter diesem Zaun gesehen. Sie waren damals noch in einer Art "Konzentrationslager" zusammengepfercht worden. Und wenn man sich die Geschichte vor den dreißiger Jahren anguckt, dort wo unsere Story spielt, da gab es regelrecht Massaker an den Ur-Einwohnern. Das wird heute in den Schulen gelehrt. Sie haben gemerkt, dass schwarze Menschen auch Gefühle haben und irgendwann ist auch in den 70ern die Politik daran gescheitert, die „ihre Rasse“ schützen wollte. Außerdem ist das Buch, das diesem Film vorangehend ein absoluter Bestseller in Australien. Es tut sich auch etwas. Der Premier-Minister, John Howard, hat jedoch bis jetzt noch nichts zu dem Film gesagt. K ein Kommentar, aber ich hab da meine eigene Theorie, warum er bisher kein Statement abgegeben hat.

Zuschauer: An wen geht der Erlös des Filmes?

Noyce: Nun, natürlich an die Familien der Mädchen und an die Schauspieler, natürlich auch an mich und die Crew, an Peter Gabriel und viele andere.

Zuschauer: Gibt es aber nicht irgendwelche Spenden-Fonds, die damit zusammenhängen.

Noyce: Es gibt natürlich solche Fonds, aber wir arbeiten mit keinem direkt zusammen.  Es gibt aber eine Organisation, die sich direkt für die "verlorene Generation" einsetzt!

Zuschauer: Ich hatte erst vor kurzem das Vergnügen, quer durch Australien zu reisen.  Wo haben sie diese Orte gefunden? Wo haben sie gedreht? Ich dachte, ich wäre überall gewesen? 

Noyce: Da können wir uns gleich noch mal in Ruhe unterhalten. Aber soviel sei gesagt: Den Ort "Jigalong" gibt es wirklich. Dort haben wir aber nur kurz gedreht. Den Rest haben wir in Süd-Australien und in North-West Addelaide gedreht, wo auch noch ein altes Set von mir stand, das wir noch mal benutzt haben, nämlich der Bahnhof.

Zuschauerin: Wird dieser Film auch in Korea starten?

Noyce: Ja, ich glaube nächsten Monat wird er auch in Korea starten, wir haben überall in der Welt verkauft.

Moderator: Als sie damals bei TODESSTILLE mit NICOLE KIDMAN zusammenarbeiteten, hätten sie gedacht, dass sie irgendwann einen Oscar bekommen würde, wie es ja dieses Jahr geschehen ist.

Noyce: Nein! Das hätte ich nicht gedacht. TODESSTILLE war zwar ein Film, der bereits an Hollywood gerichtet war. Wir hatten ja auch einen amerikanischen Verleih, aber das hätte niemand erwartet, dass ich und Nicole in Hollywood arbeiten würden.


Übersetzung: Dennis Albrecht

Freitag, 25. September 2020

RP KAHL: "A Thought Of Ecstasy"

PERSÖNLICHES INTERVIEW: RP KAHL
am 23.01.2018 in Hamburg


RP Kahl, Foto: Christian Grundey


A THOUGHT OF ECSTASY auf imdb
Foto: www.rpkahl.de

Bekannt wurde er als Schauspieler, u.a. in Oskar Roehlers Low Budget Spielfilm "Silvester Countdown" von 1997. Er war an der Entwicklung der "99Euro-Filme" maßgeblich beteiligt, die als Compilation Projekte in der Perspektive auf der Berlinale liefen. Auch sein Spielfilm "Bedways" lief 2010 in dieser Sparte. 1999 hatte er bereits den Independent Partners Filmverleih gegründet, um Filme wie z.B. von Ken Park in die Kinos zu bringen. Heute hat er verschiedene Lehraufträge und Professuren, wie z.B. an der DFFB oder an der Dekra Hochschule für Medien in Berlin.

Hier erzählt er in einem Videointerview vom 23.Januar 2018 von der Unabhängigkeit seiner Filme und wie dies zum deutschen und internationalen Filmmarkt passt. Insbesondere geht es um die Kinotour seines Filmes "A Thought Of Ecstasy", den er 2017 in den USA drehte.






Das Interview wurde im Rahmen der Initiative "UnsereFilme/UnsereSerien" in einem Hamburger Hotel geführt.

BEDWAYS auf imdb
Foto: rpkahl.de


MATTHIAS HUES "Karate Tiger 2", "Dark Angel" und "Legion Of The Dead"

PERSÖNLICHES INTERVIEW  mit MATTHIAS HUES  Foto von Dennis Albrecht am Set von „Legion Of The Dead“ Fragen von Christian Witte:  Du hast mit...