Dienstag, 29. Dezember 2020

RAINER MATSUTANI: "Nur über meine Leiche"

KINODISKUSSION MIT RAINER MATSUTANI (Regie) UND KATJA RIEMANN (Hauptrolle)
im Kino "ROYAL FILMPALAST" in Berlin (07.08.1995)
und im Kino "GLORIA" in Dillenburg (23.08.1995)



Filmposter, Foto imdb


Rainer Matsutani: Wenn zunächst keine Fragen sind, würde ich einfach mal so von dem Film erzählen: Denn unser größtes Problem war zunächst das Drehbuch. Die Idee war schon etwas älter und war für einen 15minütigen Kurzfilm gedacht, den ich an der Filmhochschule in München drehen wollte. Doch der Professor ließ die Realisierung nicht zu. Später habe ich mich noch einmal mit meinem Co-Autor Sebastian Niemann zusammengesetzt und wir schrieben eine Version mit 40 Minuten. Diese wollte ich dann als Abschlussfilm verwenden. Doch noch einmal wurde das Projekt abgelehnt, aus Kostengründen. 1993 reichten wir das Script beim Bayrischen Rundfunk ein, wo man sofort sehr interessiert war, jedoch brauchte man ein Buch in Spielfilmlänge. So mussten wir noch einmal eine lange Fassung schreiben. Fred, die Hauptfigur bekam anstatt einer Aufgabe, wie es ursprünglich war, nun drei Aufgaben.


Zuschauer: Dies ist ja nun eine ungewöhnliche Genremixtur für einen deutschen Film. Gab es Schwierigkeiten dafür Geld aufzutreiben?


Rainer Matsutani: Eigentlich nicht. Doch wir hatten auch viel Geld eingespart, wir hatten richtige Low-Budget Drehbedingungen. Viele der Beteiligten arbeiteten weit unter ihrem Lohn. Auch Katja Riemann verzichtete auf viel Gage, obwohl sie ja schon sehr bekannt ist. Sie will wirklich noch etwas verändern im deutschen Film und unterstützt junge Regisseure, die Kinofilme machen wollen. Im Fernsehen könnte sie ja weitaus mehr verdienen.


Zuschauer: Wie viel Geld hatten sie denn zur Verfügung?


Rainer Matsutani: Wir hatten 3,8 Millionen DM zur Verfügung. Doch das meiste ging dabei für die Special- Effects drauf. Durch die frühe Zusage von Katja war jedoch die Filmförderung schnell gesichert.


Zuschauer: Sie konnten ja auf eine sehr gute Auslese an Schauspielern zurückgreifen. Wie kam das zustande?


Katja Riemann: Ich kannte bereits Rainers Kurzfilm "Klinik des Grauens" und als ich das Drehbuch gelesen hatte, rief ich ihn sofort an und sagte, dass ich auf jeden Fall dabei wäre. Und bei den anderen war es wohl ähnlich, es war einfach ein gutes Buch, eine gute Idee!


Rainer Matsutani: Und Udo Kier sagte: "Da spielt ein Truthahn mit, da muss ich auch dabei sein!"


Zuschauer: Genau! Können sie uns mehr über den Truthahn erzählen!?


Rainer Matsutani: Natürlich! Da gab es erst einmal drei verschiedene Versionen dieser Figur. Einmal eine voll animierte Puppe mit einem hydraulischen Metallskelett, das eine gute Mimik und Gestik für Nahaufnahmen ermöglichte. Die zweite Ausführung war ferngesteuert, für die totalen Bildeinstellungen. Als drittes Modell gab es noch einen Dummy zum einleuchten und für Actionszenen, wenn der Truthahn mal an die Wand fliegen musste oder so.


Katja Riemann: Dazu muss man noch erwähnen, dass Christoph Orth gar nicht zurecht kam mit der Puppe. Er hat sie regelrecht gehasst!


Rainer Matsutani: Dagegen hat Katja den Truthahn geradezu geliebt!


Zuschauer: Wie war das mit den anderen Effekten? Die können sich ja, im Vergleich zu amerikanischen Filmen, durchaus sehen lassen!


Rainer Matsutani: Erst einmal "Danke" für dieses Kompliment, denn wir waren auch ein sehr junges Team. Und da kommt so etwas immer gut. Ja, die Special-Effects waren zum größten Teil von Roland Emmerichs Firma MAGICON hergestellt worden. Besonders die digitalen Effekte, wie zum Beispiel der Geist im Hochhaus, waren sehr kostspielig und zeitaufwendig. Das glaubt man zunächst gar nicht, was das kostet. Wenn der Geist sich in tausend goldene Funken auflöst, dass ist eine Szene von ein paar Sekunden, hat aber die meiste Arbeit gemacht. Dagegen mussten wir eben an anderen Figuren sparen. "Käpt`n Nemo" der Monsterfisch war zum Beispiel wirklich aus der Not geboren. In letzter Sekunde und so gut wie umsonst, baute man ihn aus Holz und Leim zusammen.


Zuschauer: Wie war eigentlich die Zusammenarbeit mit Udo Kier? Er hat ja seit dem Auftritt in Madonnas Video auch einen internationalen Status eines Stars!


Rainer Matsutani: Ach, das war eigentlich ganz gut mit ihm. Er ist ganz lustig! Hat eigentlich jemand verstanden, was er am Ende gesagt hat? Nein, nicht! Diese Szene war nämlich gar nicht vorgesehen! Kurz vor seinem Abflug nach Amerika sagte er uns plötzlich, dass er eine Idee hätte. Wir sollten doch die Kamera noch mal aufbauen. Ich wusste nicht was er vorhatte, doch wir bauten alles noch einmal vor dem Auto auf. Udo kroch in den Kofferraum, die Kamera surrte und Udo stammelte noch den Satz:  "En-de! Doch... das…Leben... geht... weiter!" Ich überlegte dann, ob ich wirklich diese Szene nehmen sollte, doch ich fand, dass solch eine abgefahrene Szene ganz gut zum Ende passt.


Zuschauer: Mir ist noch die Rolle von "Frosch" vom schauspielerischen Punkt sehr positiv aufgefallen. Wer ist das? Das war ja vielleicht der neue deutsche Woody Allen!


Rainer Matsutani: Das ist Felix Eitner. Ihn als Woody Allen des deutschen Filmes zu bezeichnen, weiß nicht, ob das passt. Das sehe ich nicht so.


Zuschauer: Dann vielleicht als deutsche Antwort auf Rick Moranis!


Rainer Matsutani: Aber um noch einmal zu dem Truthahn zurückzukommen: Wer hat denn die Stimme erkannt?


Zuschauer: Golden Girls!!!


Rainer Matsutani: Ja, genau! Barbara Ratthey! Ich war echt froh, dass ich sie bekommen habe. Niemand hätte sonst zur Stimme eines Truthahns gepasst. Übrigens sollte der Truthahn eigentlich nackt bleiben. Doch das war den Leuten vom Bayerischen Rundfunk dann doch etwas zu obszön. So verpassten man der wieder geborenen Mutter kurzerhand ein Kleid!


Zuschauer: Warum ist der Co-Autor Sebastian Niemann heute nicht hier?


Rainer Matsutani: Er konnte leider nicht kommen, aber dafür haben wir ja Katja hier, die gerade hier in Berlin dreht und einfach mal vorbeikommen konnte. Aber Sebastian hat auch in "Nur über meine Leiche" mitgespielt! Er war in dem Auto, das an Lisa vorbeifuhr, als sie abgehauen war. Außerdem war von ihm der Kurzfilm, der als Vorfilm lief.


Zuschauer: Falls "Nur über meine Leiche " ein Erfolg werden sollte, würden sie dann auch mal über den großen Teich schielen, wie Roland Emmerich oder Wolfgang  Petersen?


Rainer Matsutani: Nein, ich glaube nicht. Erst einmal habe ich hier in Deutschland vielleicht noch einige Möglichkeiten weiterzuarbeiten. Die ARD plant gerade eine Reihe von drei Spielfilmen, die alle ebenfalls  im phantastischen Genre angesiedelt sind, so ähnlich wie “Twillight Zone“. Katja Riemann spielt auch wieder mit. Doch trotz ihrer Zusage verläuft die Planung noch sehr zögerlich. Es kommt wahrscheinlich darauf an, ob "Nur über meine Leiche" ein Erfolg wird. Das Genre ist für die meisten Redaktionsstübchen doch ein ziemliches Hindernis. Außerdem schreibe ich gerade ein Drehbuch für einen Thriller, der in Berlin spielt.  Deswegen muss ich jetzt erst einmal nach Berlin umziehen. Denn es ist schwer eine Story in München zu schreiben, die in Berlin spielt. Aber die Idee ist wirklich sehr gut und ich komme dann mal von den Fantasy-Komödien weg.


Katka Riemann: Ach ja, ich will auch bald nach Berlin umziehen und suche noch eine Wohnung. Wer hier eine anzubieten hat, soll sich doch mal bei mir melden!


Zuschauer: Frau Riemann, wie werden sie zur Zeit mit ihrem neuen Status als deutscher Filmstar fertig?


Katja Riemann: Ach, eigentlich ganz gut, nur letztens ist mir etwas Peinliches passiert. Ich wollte mal wieder ins Kino gehen, einen Film ansehen, doch als ich das Foyer betrat, sah ich mein Gesicht überall auf Plakaten. Dann ging ich raus und sah, dass in diesem Kino noch einmal eine Wiederaufführung von "Abgeschminkt" lief. Da bin ich nicht mehr rein gegangen, war mir irgendwie zu blöd.

(Die Gesprächsaufzeichnungen sind ohne technische Mittel nach Gedächtnisprotokoll entstanden)



Katja Riemann im Film-Palast Berlin, 1995, Foto: Dennis Albrecht

Katja Riemann wurde am 1.Juni 1996 für ihre schauspielerische Leistung, unter anderem auch in dem Film " Nur über meine Leiche" mit dem Goldenen Filmband ausgezeichnet.

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