Donnerstag, 24. Dezember 2020

FRIEDER SCHLAICH "Paul Bowles Halbmond"

KINODISKUSSION MIT FRIEDER SCHLAICH

im Programmkino "Traumstern" in Lich 
am 11.01.96



PAUL BOWLES HALBMOND auf imdb
Foto: Filmgalerie451.de


Zuschauer: Wie klappte es mit der Verständigung, denn sie haben ja in Marokko gedreht?!


Schlaich: Mein Französisch ist eigentlich ganz gut und ich verbringe oft meinen Urlaub dort unten. Also Probleme gab es da überhaupt nicht.


Zuschauer: Aber wie konnten sie sich verständlich machen, was sie jetzt genau wollten? Wie haben sie die Leute motivieren können, das und jenes jetzt ganz natürlich zu machen? Das waren ja keine ausgebildeten Schauspieler?


Schlaich: Nein, da haben sie recht. Der Junge aus dem letzten Teil haben wir zum Beispiel auf der Straße getroffen. Er ist uns sofort aufgefallen, da er auch einen bestimmten und sehr alten Akzent spricht, der für die Rolle absolut ideal war. Eben ein waschechter Straßenjungen. Er hatte auch noch nie einen Kinofilm gesehen und so war es für ihn eine ganz neue Erfahrung, als wir den Film dort in seiner Heimat vorführten. Er sah sich ganz groß auf der Leinwand. Sowieso waren viele Nebenrollen mit Leuten von der Straße besetzt, wie auch die Jungs, die dort Fußball spielten. Das macht dann auch die Natürlichkeit aus. Und irgendwie verstehen sie dann schon, was man will. Doch es waren nicht alles Amateure vor der Kamera. Das Ehepaar im zweiten Teil hatten wir aus England. Da gab es ein richtig großes Casting und schließlich hatten wir dann Veronica Quilligan und Sam Cox, die besonders im englischen Fernsehen schon einige Erfahrung hatten.


Zuschauer: Das Boot, auf dem das Ehepaar im zweiten Film gefahren ist, war das ein ganz normales Passagierschiff und filmten sie die Passagiere einfach mit? Oder wie haben sie das gemacht?


Schlaich: Nein, das Schiff war gemietet, gleich für mehrere Wochen. Und damit sind wir dann tagelang den Fluss auf und ab geschippert. Die ganze Familie und Freunde des Schiffsinhabers war mit an Bord und die spielten dann auch die Passagiere. Außerdem drehten wir sehr viel spontane Szenen und das wäre auf einer normalen Fahrt nicht so möglich gewesen.


Zuschauer: Wie gut klappte die Zusammenarbeit mit Paul Bowles. Er sprach ja immer mal einen Kommentar zwischen den Filmen. Waren die Texte vorgegeben?


Schlaich: Nein, die Texte waren ziemlich frei. Und man sieht ja auch an seinem Monolog, dass er ein sehr humorvoller Mensch ist. Keiner würde sich sonst vor laufender Kamera über seine alte Schreibmaschine aufregen. Nein, dass kam alles aus ihm heraus. Damals war er auch sehr krank. Ansonsten habe ich mich sehr gut mit ihm verstanden. Jetzt ist er wieder gesund und ich habe auch noch Kontakt mit ihm. Ein Brief von ihm hängt bei der Ausstellung im Foyer.


Zuschauer: Jetzt würde mich aber mal interessieren, wie sie es geschafft haben, ein Schlange so zu dressieren, dass sie auch noch Milch trinkt!?


Schlaich (muss lachen): Ja, ich habe es auch nicht geglaubt, aber es gibt tatsächlich bestimmte Schlangen-arten, die warme Milch trinken. Wir hatten nämlich vorher eine andere, falsche Rasse und da hat das dann natürlich nicht geklappt.


Zuschauer: Und wie haben sie es geschafft, dass die Schlange in dieses Rohr kroch und das genau in dem Moment, als die Kamera lief?


Schlaich: Ja, bei solchen Szenen gehört natürlich auch eine Portion Glück dazu. Doch es ist in ihrer Natur, dass Schlangen irgendwo in Löcher kriechen und ein gutes kühles Versteck suchen.


Zuschauer: Und wie haben sie die Schlange dann wieder herausbekommen?


Schlaich (lacht): Ach, das war eigentlich ziemlich einfach! Denn dieses vermeintliche  Abwasserrohr war nichts anderes als eine einseitig geöffnete Röhre, die vom Filmteam in den Sand gebuddelt wurde. So leicht war das!


Zuschauer: Wie kamen sie mit der Witterung zum Beispiel in der Sahara zurecht? Ich kann mir vorstellen, dass es dort unten sehr heiß werden kann.


Schlaich:  Was das technische Equipment anbetraf, war klar, dass dies sehr stark gegen den Sand geschützt werden musste. Er war einfach überall, obwohl wir alles abdeckten. Doch am meisten machte uns wirklich die Hitze zu schaffen. Wir wurden alle nacheinander krank und drehten trotzdem noch mit 40 Grad Fieber weiter. Auf ein paar Dias, die ich nachher zeige, ist die Erschöpfung im Team ganz gut zu sehen. Der kleine Mohammed, der Junge aus dem dritten Teil steht dort neben unserem Kameramann, der sehr krank war und scheint ihn sogar trösten zu wollen.

(Die Gesprächsaufzeichnungen sind ohne technische Mittel nach Gedächtnisprotokoll entstanden)


Der Film erhielt den "Spielfilmpreis der Filmkritik 1995" von der Jury der Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten und den "Grossen Europa-Preis" beim Festival des europäischen Films im französischen La Baule.

                         
Frieder Schlaich im Traumstern Lich, Hessen (Foto: Dennis Albrecht)


Nachtrag:


Frieder Schlaich reagierte folgendermaßen auf das 25jährige Jubiläum dieser Veranstaltung:

"Das ist ja eine schöne Überraschung! Erst 25 Jahre - haha, aber mir kommt das wirklich wie ein Jahrhundert her vor. Der Film und Paul Bowles sind immer noch sehr wichtig für mich, ich plane sogar wieder eine Kurz-geschichte in Tanger zu verfilmen."

MATTHIAS HUES "Karate Tiger 2", "Dark Angel" und "Legion Of The Dead"

PERSÖNLICHES INTERVIEW  mit MATTHIAS HUES  Foto von Dennis Albrecht am Set von „Legion Of The Dead“ Fragen von Christian Witte:  Du hast mit...