Sonntag, 4. Oktober 2020

MORITZ BLEIBTREU "Luna Papa"

KINOGESPRÄCH MIT MORITZ BLEIBTREU
im Zeise-Kinos in Hamburg (Herbst 2000)


Foto: Arthaus
Foto: Arthaus Filmverleih


Vor dem Film:


Moderation: Heute Abend haben wir eine Premiere und einen Gast noch dazu. Moritz Bleibtreu wird nach dem Film hier bei uns zu Gast sein. Zur Zeit ist er noch auf einer Hochzeit, aber nachher wird er bei uns sein. Somit wünsche ich zunächst viel Spaß und gute Unterhaltung bei dem Film.


Nach dem Film:


Moderation: Wie gesagt, wir haben heute einen Gast: Moritz Bleibtreu! Hallo Moritz. Das war ja ein sehr verrückter Film, gerade verrückt im Sinne der Produktionsbedingungen, oder?


Bleibtreu: Sehr verrückt, sehr verrückt! (Bleibtreu winkt einem oder einer engen Bekannten in der ersten Reihe zu, ist kurz nicht ganz bei der Sache.) 
Und ich möchte nur eins sagen: Wenn euch der Film gefallen hat, sagt es weiter ! Der Film lebt davon. Entschuldigung, dass ich von deiner Frage abkomme, aber dieser Film liegt mir sehr am Herzen, also sagt es weiter. Ja, verrückt, das war er! Zum Beispiel wurde Chulpan für eine Nacht ins Gefängnis gesteckt. Es herrscht dort ja noch ein richtiger Bürgerkrieg. Und dann hatten wir ja noch ein paar Naturkatastrophen. Das rote Kreuz musste alles evakuieren und das war kurz bevor der Film beginnen sollte. Aber es ist ein wunderschöner Film, alles noch handgemacht. Alles ist echt. Zum Beispiel dieser See, diese Farben, da war nichts aus Computer!


Moderation: Gut, dann wollen wir doch mal dem Publikum die Gelegenheit geben, dir ein paar Fragen zu stellen.


Kind (ca. 8 Jahre alt): Ich wollte fragen: Wie wurden die Tricks mit dem fliegenden Dach gemacht?


Bleibtreu: Oh je, jetzt hast du mich erwischt. Ja, jetzt hast du mich. Das war natürlich ein Computer, der das Dach zum fliegen brachte.


Zuschauer: In welcher Sprache wurde der Film eigentlich gedreht?


Bleibtreu: In Russisch und in der Heimatsprache. Das ist da so ein Kauderwelsch, so ein Mix aus allem. Ihr müsstet mal die Original-Fassung hören, da haben sie einfach beides gesprochen, so wie bei uns ein Türke zum Beispiel: “Ülügulumwaschmaschine hübtulum“ und so weiter sagen würde.
(Das Publikum lacht)


Zuschauer: Was war das für ein See, an dem die Geschichte spielte?


Bleibtreu: Das war ein künstlicher See. Frag mich bitte nicht nach den Namen, der hatte einfach keinen, das war einfach ein namenloser künstlicher See. Der war irgendwann mal aufgestaut worden! Also, ganz irre!


Kind: Ich wollte fragen, ob die Waffen im Film wirklich echt waren?
(Publikum lacht)


Bleibtreu: Nein, nein, das ist echt eine sehr gute Frage, eine sehr gute ! Denn das waren echte Pistole! Jeder in diesem Land trägt eine. Waffen sind dort normal, damit geht man echt auf die Straße, das habt ihr ja im Film gesehen. Und wir verwendeten auch echte Waffen, sonst würde man das sehen. Natürlich haben wir nur Platzpatronen benutzt, aber die Waffen waren echt!


Zuschauer: Warum wurde Chulpan verhaftet?


Bleibtreu: Ach, das war eigentlich keine große Sache. Sie war zu irgendeinem Soldaten frech, der Zigaretten wollte. Da muss man echt aufpassen, was man sagt.


Zuschauer: Ich hätte gern gewusst, in welchem Land nun gedreht wurde. Mal las ich Russland, dann Usbekistan. Was ist nun richtig?


Bleibtreu: Das war ein Dreiländereck: Tadschikistan, Usbekistan und Kirgistan. Wir hatten unsere Basis, sozusagen in Tadschikistan und sind dann zu anderen Locations in die anderen Länder gefahren.


Zuschauer: Waren ihre Schauspielerkollegen eigentlich Laien, also Gelegenheitsschauspieler?


Bleibtreu: Nein, das waren gelernte und studierte Schauspieler, also genau das Gegenteil von mir, ich hab ja keine Ausbildung! Der den Ersatz-Ehemann spielt, wohnt zum Beispiel in Wien und kommt aus der Ukraine. Chulpan kommt aus Moskau, wo sie an der Schauspielschule war und Ato ist ja da der große Star, der ist im ganzen Land bekannt. Wenn wir irgendwo vom Militär angehalten wurden, mussten wir nur Ato vorzeigen und wir konnten weiter. Das war wirklich verrückt. Das Land hatte ja früher eine eigene Filmindustrie. Damals hatten sie noch viel Geld und Zeit, heute ist das genau umgekehrt. Aber Zeit mussten wir uns ja auch nehmen für dieses Projekt und das hat auch gut getan. Dieses Dorf zum Beispiel, mit diesen vielen kleinen Kanälen und Brücken, das musste erst einmal aufgebaut werden. Ja, das wurde extra für diesen Film hochgezogen! Dabei hatten wir gerade einmal 4 Millionen Mark an Budget zur Verfügung. Also ein Witz.


Zuschauer: Wie waren denn die Bedingungen dort, wie lebte man dort? Hast du etwas von der Kultur mitbekommen?


Bleibtreu: Also, es war natürlich etwas ganz anderes. Man muss viel improvisieren. Dass du dort einige Tage kein Strom hast und somit vielleicht einmal am Tag warmes Wasser hast, darauf musst du dich natürlich einstellen. Und das ist wirklich so ein Ort, wo du zwar Geld hast, aber trotzdem damit nichts anfangen kannst. Du kannst denen harte Dollar geben, aber warmes Wasser bekommst du trotzdem nicht. Natürlich bekommt man auch etwas von der Kultur mit, zwangsläufig, doch es ist zur Zeit nicht sehr schön dort, wegen des Krieges. Du siehst dort wirklich öfters zerschossene Häuserwände. Außerdem ist es wie mit einer erzkatholischen Familie in Bayern. Wenn du die länger besuchen würdest oder dort einen Film drehen würdest, würdest du auch von deren Kultur etwas mitbekommen.


Zuschauerin: Das war ja ein sehr poetischer Film, das hat dir bestimmt sehr gefallen, schon von daher dass dein eigenes Drehbuch ungefähr den gleichen Stil haben soll!


Bleibtreu: Ja, genau! Also ich schwöre, es wir irgendwann fertig sein, vielleicht sogar bald.


Zuschauer: War das nicht mal richtig erfrischend, einen Film zu drehen, der nicht so mit europäischen Konventionen arbeitet?


Bleibtreu: Klar! Es ist eine ganz besondere Tragik-Komödie. Sie ist nicht auf Dialoge aufgebaut, wie die meisten. Es sind richtige Slapstick Einlagen eingebaut wie bei Buster Keaton und Charlie Chaplin. Und das gefällt mir. Diese Figur brauchte nicht viel Worte. Warum auch? Was sollte ich schon sagen?  Ich konnte ja kein Russisch oder Kirgisisch!


Zuschauer: Wie ist es zu dem Kontakt zu dem Regisseur gekommen?


Bleibtreu: Den habe ich erst 4 Wochen vor den Dreharbeiten kennen gelernt, war alles ziemlich kurzfristig und zufällig. Übrigens ich soll Euch alle schön von ihm grüßen. Er wollte eigentlich heute auch kommen, doch zur Zeit ist er wieder auf irgend so einem verrückten Filmfest in Moskau.


Zuschauer: Wie wurde der Film eigentlich dort aufgenommen? Wurde er dort einmal gezeigt?


Bleibtreu: Ja, ja. Der wurde gezeigt. Einmal, in einem Dorf und dort war nur ein einziges Kino, das die letzten Jahre immer den gleichen Film zeigte, bis wir kamen.


Zuschauer: Wie lange waren sie dort?


Bleibtreu: Also, ich sollte 6 Wochen dort drehen, doch daraus wurden 3 Monate. Nicht am Stück, weil ich immer mal wieder zurückfuhr. Diese Unterbrechungen und Verzögerungen kamen eben durch den Krieg und dieser Umweltkatastrophe zustande. Insgesamt hat es dann 18 Monate gedauert, bis wirklich alles abgedreht war. Aber, wie gesagt, was lange währt, das wird letztendlich gut.


Zuschauer: Ich habe gehört, dass es diesen Vorfall mit dieser fliegenden Kuh wirklich gab!


Bleibtreu: Ja, das stimmt, die flog wirklich! (Publikum lacht) Ja, das war wirklich ziemlich tragisch, aber ungefähr so hat es sich abgespielt, nur in der Japanischen See. Da hatte jemand eine Kuh mit dem Flugzeug geklaut und dann Ballastprobleme bekommen. Über dem Meer haben sie sie wieder abgeworfen, aber genau auf einen Fischkutter, alle tot! Nur die Kuh schwamm weiter.


Kind: Was war in den Flaschen drin, die du immer bei dir getragen hast?


Bleibtreu: Da war Benzin drin. Das sollte man jedenfalls nicht nachmachen, denn ich habe im Film ja die Leute teilweise damit beworfen, denn ich war ja ein Flugzeug. Das war nicht sehr nett von mir!


Moderation: Zum Abschluss wollte ich dich noch nach deinem ganz neuen Film fragen. Vielleicht kannst du etwas erzählen?


Bleibtreu: Ja, natürlich sehr gern. Also, der Film heißt “Im Juli“ und kommt im August ins Kino.


Moderation: Vielleicht sogar als ähnliche Premiere hier in die Zeise Kinos.


Bleibtreu: Genau! Und der Regisseur, Fatih Akin ist auch heute hier im Publikum und ich würde mich freuen, wenn ihr Euch den Film anschauen würdet, denn der ist auch sehr, sehr schön. Mir liegt auch an diesem Film sehr viel. Also auch hier: Sagt es euren Freunden!


Fatih Akin ist inzwischen von seinem Platz in der zweiten Reihe aufgestanden und zeigt sich dem Publikum.

(Die Gesprächsaufzeichnungen sind ohne technische Mittel nach Gedächtnisprotokoll entstanden)

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