Dienstag, 24. November 2020

MICHAEL VERHOEVEN: "Mutters Courage"

KINOGESPRÄCH: MICHAEL VERHOEVEN

im Programmkino "TRAUMSTERN" in Lich  (Frühjahr 1996)


MUTTER MUT  auf imdb
Foto: imdb


Michael Verhoeven sitzt auf der Bühne des kleinen hessischen Kinos und spricht gleich zum Publikum. Die Dreharbeiten stellten sich in Ungarn 1994 als sehr schwierig heraus. Es gab einen Umbruch in der Regierung und so musste ein größerer Teil nach Tschechien verlegt werden. So würde im Abspann auch sehr viele Namen aus diesem Land erkennbar sein, es war eine schwierige Entscheidung, doch sonst hätten die Dreharbeiten für ein Jahr unterbrochen werden müssen. Verhoeven fand es jedoch schade, denn in Ungarn waren bereits wunderschöne Drehorte vorbereitet gewesen. Die Wartehalle, in der die Juden in einer Szene zusammengetrieben wurden war in einem alten Lokomotivwerk geplant. Doch in Tschechien fand sie einen sehr guten Ausgleich, denn dort fand sie einen sehr still und friedlich gelegenen Bahnhof, der ein Spiegel zu der grauenhaften Tragödie wiedergab. Ein Zuschauer meldete sich zu Wort und fragte, ob Herr Verhoeven auch Einfluss auf das Casting hatte. Denn er hielt Eddie Arent in einer Nebenrolle als Geheimpolizist, der Frau Tabori mit verhaftet hatte, als fehlbesetzt. Doch Michael Verhoeven verteidigte den Schauspieler, der sonst für leichte und komödiantische Auftritte bekannt war. Er fand die Bemerkung des Zuschauers nicht gerade schmeichelhaft und sah Arent in einer Klischee-Ecke gefangen. Er empfand Arent als sehr vielseitigen Künstler und somit als absolut gut besetzt.

Ein anderer Zuschauer wollte wissen, warum der Film in Cinemascope gedreht wurde. Verhoeven wollte einen Kinofilm machen und Cinemascope bedeutete für ihn Kino. Danach erklärte er die Massenszenen, die am Bahnhof gedreht wurden. Viele Komparsen, die Juden spielten, die deportiert wurden, mussten zu den Waggons strömen. Ein Zuschauer hatte gefragt, ob sich die Menschen in diese Leute von damals hineinversetzen konnten? 
Verhoeven antworte, dass Komparsen meistens ganz normale Leute sind. Bis zu 2000 Statisten kamen aus der Nachbarschaft. Die Kunst, diese Menschen in der richtigen Richtung zu motivierend besteht für Verhoeven darin, so wenig Informationen wie möglich weiter zu geben. Sie hatten die Leute dort an den Bahnsteig gestellt und ihnen gesagt, dass sie in der Szene in diesem Zug und den Personen mit den Schleifen am Arm folgen müssten. Das waren die einzigen Leute, die vom Filmteam kamen. Dann wurde der Zug hineingefahren und alle drängten zu den Wagons. Dabei bekamen die älteren und langsameren Leute natürlich nicht die besten Plätze. Das Drängen und Stoßen lief plötzlich ganz automatisch ab. Bei den Sitzen und Luftschlitzen standen dann die Leute, die sich mit Ellbogen Platz verschafft hatten. Zusätzlich kamen noch Drängler, die extra vom Film-Team eingesetzt wurden. Gerade deshalb waren die Ergebnisse und die Dynamik der Szenen Glückssache. Denn bei aller geschürter Dramatik und Stress grinst immer mal noch ein paar Gesichter in die Kameras. Das würde beim Drehen zunächst gar nicht auffallen, erklärte Verhoeven. Erst beim Sichten des Materials in der Nachproduktion sieht man diese Fehler. Die Aufnahme wird dann schnell wertlos und er müsste dann weiter nach gelungenen Szenen suchen. 


Zuschauer: Die Musik war für mich sehr bemerkenswert! Sie gab den Bildern noch mehr Kraft, ja sogar Schwere, besonders zum Ende hin!


Verhoeven: Das höre ich natürlich gern, da mein Sohn die Musik komponiert hat. Er wird sich freuen über dieses Kompliment.


Zuschauer: Ihr Sohn hat doch auch mitgespielt! Das war doch dieser junge, blonde Nazi-Soldat?


Verhoeven : Ja, genau!


Zuschauer: Wie weit war Tabori an dem Projekt beteiligt? Welchen Einfluss hatte er auf den Film?


Der bekannte Theaterregisseur Georg Tabori hat die literarische Vorlage zu dem Film geliefert. Er hat die Geschichte seiner Mutter aufgeschrieben, die stirbt wirklich so erlebt haben soll und stellt diese Geschichte auch persönlich als Rahmenerzähler im Film vor.


Verhoeven: Er hat uns auf jeden Fall sehr viel Spielraum gelassen. Er hat auch beim Drehbuch mitgewirkt. Bei den Dreharbeiten selbst hielt er sich dann ganz raus. Er ist ja auch nicht der Filmmensch. Er kommt ja vom Theater und war offensichtlich von einer solchen verhältnismäßig großen Produktion betroffen. Aber die Zusammenarbeit hat gut geklappt.


Zuschauerin: Für mich waren auch ein paar versteckte Symbole sehr wichtig. Zum Beispiel hatte der SS-Offizier einen Totenkopf auf der Mütze, den Mann einmal groß sah. Und der Jude, der erschossen wurde hatte einen Pyjama an, der bereits an die KZ-Kleidung erinnerte. Sind diese Andeutungen einfach Zeugnisse unseres heutigen Wissens? Wir wissen ja, dass die Juden ins KZ gekommen sind!


Verhoeven: Find ich erst einmal toll, dass ihnen diese Sachen aufgefallen sind. Sie sind die erste Zuschauerin, die es bemerkte. Aber eigentlich sollte der Pyjama nur verdeutlichen, dass diese Menschen wirklich aus ihren alltäglichen Situationen herausgerissen worden waren, als sie verhaftet wurden.


Zuschauerin: Ja, das hat man auch an dem Metzger gesehen, der noch mit dem Fleischermesser und Kittel dort stand.


Verhoeven: Genau! Das ist richtig.


Zuschauer: Ich hatte bei ihrem Film das Problem, dass ihre Bilder vom Holocaust einfach zu glatt waren. Sie beschrieben hier einige Handlungen, die sehr brutal und menschenverachtend sind, aber sehr einfach und aalglatt erzählt werden.


Verhoeven: Also, das versteh ich jetzt nicht so, warum sie damit Probleme haben. Ich wollte einfach nicht alles aufzeigen, was der Holocaust an schrecklichen Bildern hervorgebracht hat. Die technischen Möglichkeiten waren zwar gegeben, wie zum Beispiel auch in "Schindlers Liste", wo sie sich gegenseitig die Pistolen an den Kopf halten und so weiter. Da kommt das Gehirn schon aus der Pistole heraus. Also wenn man genug Geld hat, sind solche Bilder natürlich machbar, aber ich will jene Schreckensbilder nicht verwenden. Das hab ich nicht nötig.


Zuschauer: Ich fand den Charakter des SS-Offiziers sehr interessant. Er zeigt bei der Szene mit den Pflaumen eine sehr gespaltene Persönlichkeit, die am Rande des Wahnsinns steht. Das wird ja vielen SS-Anhängern nachgesagt wird, dass sie alle etwas geisteskrank waren.


Während der Fahrt zurück nach Budapest erzählt der SS-Offizier eine schreckliche Geschichte von einem Pfarrer, der seine wenigen Kirchenbesucher zum Morden aufruft. Diese Geschichte geht immer weiter in eine sich steigernde Erzählform, die sich am Ende fast im Wahnsinn wieder findet. Dabei zerdrückt er Pflaumen.


Verhoeven: Ich kenne diese historische Geschichte nicht so, dass alle SS-Offiziere geisteskrank gewesen sein sollen. Doch es ist sehr interessant, dass sie dies erwähnen. Auf der Premiere in Berlin bekam ich etwas ähnliches vorgeworfen. Ein junger Mann fragte mich, wie ich dazu kommen würde, die SS-Leute so positiv darzustellen. Schon die Szene, dass dieser Mensch (der SS-Offizier) ganz distanziert Musik hört, während hunderte von Juden deportiert werden. Doch ich finde, dass ich die SS-Männer überhaupt nicht positiv gezeichnet habe. Er hält sich nur sehr auf Abstand, lässt niemanden an sich rankommen. Aber der junge Mann beharrte auf seinem Standpunkt und wurde sogar noch sehr aggressiv. Danach fand ich heraus, bei einem weiteren Gespräch mit ihm, dass dieser Mann aus einer Soldatenfamilie stammt und selbst Offizier ist. Interessant, oder?


Zuschauer: Ich kann aber die Reaktion und Verhaltensweisen der Juden irgendwie noch nicht nachvollziehen, eben allgemein gesehen. Wie kann es sein, dass die Menschen einfach nicht wussten, wohin die Reise ging? Warum wussten sie nicht, dass es dort um Leben oder Tod ging? Warum wusste es nur ein kleiner Junge in ihrem Film, begriff die Gefahr und versuchte zu fliehen. Wenn Budapest wirklich die letzte Enklave war und das im April 1944 stattfand, dann kann ich nicht nachvollziehen, warum keiner etwas wusste!?


Verhoeven: Dazu möchte ich eine andere Geschichte aus dieser Zeit erzählen. Und zwar gelang, ebenfalls 1944, zwei Männern die Flucht aus Auschwitz. Sie konnten sich bis zu den Alliierten durchschlagen. Dort erzählten sie dann, was in Auschwitz geschah und diese Nachricht ging über den ganzen westlichen Erdball. Doch schon Jahre zuvor war es ebenfalls zwei Männern gelungen zu fliehen und auch sie erzählten von den schrecklichen Ereignissen. Doch ihre Geschichte wurde totgeschwiegen. Sie wurde einfach nicht geglaubt, weil es einfach nicht vorstellbar war.


Zuschauer: Dazu möchte ich auch noch sagen, dass wir uns selbst jetzt einmal fragen sollten, wie viel wir wissen und was wir tun! Wissen wir etwa nicht von unseren Umweltproblemen und fahren wir nicht trotzdem alle ein Auto? Das Wissen ist doch da!


Verhoeven: Ja, wenn unsere Kinder in 40 Jahren ebenfalls nicht nachvollziehen können, dass wir nichts wussten, dürfen wir uns nicht wundern.


Zuschauer: Ich wollte nun noch einmal auf den Charakter von Frau Tabori eingehen! Für mich ist es gar nicht so eine starke Frau, wie vielleicht angenommen wird. Eine Zuschauerin machte die Bemerkung, dass Frau Tabori ein starker Charakter wäre. Im Zug holt sie sich als Stütze immer wieder die Bilder aus der Vergangenheit. Es sind schöne Bilder, aber auch Erinnerungen, die nicht so gut waren, die mit Verbot zu tun haben. Und deshalb glaube ich auch zu wissen, warum sich diese Frau nicht gemeldet hat, als es darum ging, zu sagen, dass sie nur irrtümlich hier wäre. Sie hatte noch die ganze Zeit den Satz des Vaters im Ohr:“ Du musst lernen, zu gehorchen!“


Die Hauptfigur Elsa (Taboris Mutter) erinnert sich während der Zugfahrt an einen Tag in ihrer Kindheit, in dem sie in das Praxiszimmer ihres Vaters stürzt und ihn dabei erwischt, wie er mit einer Frau sexuellen Kontakt hat.


Zuschauer: Hat George Tabori eigentlich erzählt, wie seine Mutter sich danach verhalten hat, nach diesem Tag? Wie war sie danach? Ich hatte noch manchmal das Gefühl, dass sich diese Geschichte zwar auf einer wahren Begebenheit aufgebaut hat, doch es konnte auch so sein, dass sie auch nur alles erfunden hat. Sie war ja am Abend wieder da.


Verhoeven: Als erstes hat Tabori sie ja erst nach Kriegsende wieder gesehen, da er ja bei BBC in London gearbeitet hat. Doch er erzählte, dass sie danach seelisch ganz anders war. Es war, als ob sie manchmal versteinert war. Und ich glaube schon, dass die Geschichte auch stattgefunden hat. Warum sollte sie lügen?


Zuschauer: Das kann ich aber nicht verstehen?  Sie war wie aus Stein? Denn im Film hatte sie sich ja gleich nach ihrer Ankunft in Budapest ans Romme-Spiel gesetzt. Also hat sie sich doch gleich sehr erfolgreich in ihren normalen Alltag geflüchtet. Oder?


anderer Zuschauer: Ja. Aber dass sie sich verändert hat, sieht man doch an der Geschichte des SS-Offiziers. Vor diesem Tag hätte sie vielleicht gesagt, dass die Geschichte des ermordeten Schneiders schrecklich ist.


Noch einmal wird hier die Geschichte mit dem SS-Offiziers angesprochen, der während der Rückfahrt von dem Pfarrer erzählt, der seine Kirchenbesucher dazu aufhetzt, einen jüdischen Schneider zu ermorden und in der Kirche verscharren.

Verhoeven antwortet nicht mehr, da die Frage bereits beantwortet wurde.


Zuschauer: Karl Zuckmayer hat ja mal einen ähnlichen Humor gegenüber solch ernster Thematik entwickelt und seine Kritiker gingen nicht sehr freundlich mit ihm um. Hatten sie auch solche Probleme mit der Kritik?


Verhoeven: Nein. Also über die Kritik kann ich mich nicht beklagen. Ich kann eigentlich ganz zufrieden sein. Klar. Manche negative Kritik, wenn sie denn fachlich und kompetent ist, muss man immer mal einstecken. Nun will ich aber mal zu einer anderen Frage kommen, die sowieso gleich gestellt wird. Deshalb beantworte ich sie auch gleich. Und zwar fragen sie sich bestimmt schon eine ganze Weile, warum dieser Slapstick dort eingebracht wurde. Warum die altersschwachen Geheimpolizisten so tollpatschig sind und andere Szenen. Es ist eigentlich ganz einfach: Zum einen benutzt auch Tabori Humor und Komik in seiner Erzählung über seine Mutter und außerdem soll es diese Haltung der unbekümmerten Täter zeigen. Slapstick ist meist noch mit einer Katastrophe verbunden.


Zuschauer: Wozu war dieser Anfang gedacht, wo Tabori einen Auftritt hat, in einer "Film im Film" Sequenz?


Verhoeven: Ich wollte mich damit distanzieren von der Wirklichkeit. Mit dem Dreh-Set, mit der Kamera im Hintergrund wollte ich klar machen, dass es sich hierbei um einen Film handelt. Der wirkliche Holocaust kann einfach nicht erzählt und gezeigt werden.


Zuschauerin: Ich fand "Mutters Courage" sehr gut. Doch ich bin noch ein größerer Fan von "Die weiße Rose". Er war viel stärker für mich, viel intensiver. Glauben sie, noch einmal solch einen tollen Film drehen zu können?


Verhoeven: "Die weiße Rose" war irgendwie eine ganz andere Zeit. Ich glaube nicht, dass man heute noch einmal so etwas drehen kann.

(Die Gesprächsaufzeichnungen sind ohne technische Mittel nach Gedächtnisprotokoll entstanden)


Montag, 2. November 2020

PETER LOHMEYER: "Zugvögel...Einmal nach Inari" und "Die Mutter des Killers"

KINODISKUSSION MIT PETER LOHMEYER
im Hamburger Abaton Kino im Januar 1999 




ZUGVÖGEL...EINMAL NACH INARI
 auf imdb
Foto: filmstarts.de

Vor dem Film:

Moderator: Wir haben heute Abend Peter Lohmeyer zu Gast. Jetzt mit seinem Film “Zugvögel…Einmal nach Inari“, der ja wirklich einer der erfolgreichsten Filme hier im Abaton  Kino war.


Peter Lohmeyer: Ja, wir waren alle etwas überrascht über den Erfolg des Filmes, das hat sich keiner ausgerechnet. Bei diesem Werk bin ich auch auf etwas ganz besonderes stolz. Aber das erzähle ich euch am besten nach dem Film.


Nach dem Film:

Moderator: Peter Lohmeyer hat für diese Nebenrolle den Deutschen Filmpreis gewonnen. Dazu hat Peter Lichtefeld für seine Regie und Frank Griebe für die Kameraarbeit ebenfalls den Deutschen Filmpreis gewonnen.


Peter Lohmeyer: Ja, das war genau das, was ich vorhin ansprach, worauf ich stolz bin. Und zwar auf diesen Preis.


Moderator: Dabei warst du gar nicht persönlich bei dieser Preisverleihung!?


Peter Lohmeyer: Genau. Ich drehte gerade einen Film in Argentinien, in Buenos Aires und es war ein sehr wichtiger Drehtag. Und da die Preisverleiher auch nie vorher sagen wer gewinnt und alles sehr knapp ist, war ich gerade nicht da. Ich habe dann im Hotel davon erfahren und hab mich dann natürlich doppelt gefreut. Das Ding kam dann mit der Post! (Peter Lohmeyer überlegt) Ja, das könnte ich ja auch noch erzählen: Und zwar die Geschichte mit der Gravur. Da steht ja nur erst einmal “Filmpreis“ eingraviert und der Rest “Peter Lohmeyer" sowie der Filmtitel “Zugvögel...Einmal nach Inari" muss ja auch noch rein. Somit musste das Ding noch mal weggeschickt werden, zum Innenministerium, um das eingravieren zu lassen. Das dauerte dann eine ganze Weile. Nach einigen Monaten rief ich dann dort an um zu fragen, wo sie es denn einstauben lassen würden. Zunächst wusste überhaupt niemand Bescheid. Das Ding war einfach verschwunden. Zum Glück war es ja versichert, da konnte man für 50 DM Versicherung 5000 DM “rausholen“. Doch zwei Wochen später bekam ich dann einen Anruf. Es wäre wieder aufgetaucht und sie würden es jetzt eingravieren lassen. Dann gingen wieder ein paar Wochen ins Land und dann war es endlich wieder da. Und nun staubt es bei mir ein.


Zuschauer: Wie gut kennen sie sich jetzt mit Fahrplänen aus?


Peter Lohmeyer: Nicht so gut, ehrlich gesagt!


Zuschauerin: Wie viel hat dieser Film jetzt gekostet? Es war ja kein Hollywood-Film, den sie da gedreht haben.


Peter Lohmeyer: Ja, gekostet hat er 1,8 Millionen DM. Das ist jetzt nicht soviel. Aber es liegt auch daran, dass wir in drei verschiedenen Ländern gedreht haben. Und dann mit den Schiffen immer hin und her gefahren, zwischen Finnland und Schweden, immer hin und her und hin und her. Manchmal nicht ganz so schnell. Und eben noch in Köln, dann in Dortmund und das war von daher schon sehr stressig. Da muss ich mal die Fahne hochhalten und sagen: Dass wir das geschafft haben, dafür sollten wir  Anerkennung bekommen!


Zuschauerin: Wie lange habt ihr an dem Film gedreht?


Peter Lohmeyer: Ich habe für meine Rolle nur neun Tage gebraucht. Die sieht man gar nicht. Aber für neun Tage einen Film-Preis zu bekommen ist auch ganz schön. Also, es waren insgesamt sechs Wochen, die gedreht wurden. In Inari durfte ich 8 Tage sein, davon habe ich aber nur zwei Tage gearbeitet. Also, wir waren viel in der Sauna, weil in Finnland gibt es ja nur drei Sachen: Wodka, Sauna und Handy. Es ist  kein Scherz! Da hat wirklich jeder so eins und die sind ja auch die ersten, die Störsender bauen wollen. Aber Inari war unglaublich! Zu der Zeit des “Indian Summer“ dort hinzufahren, das war eine interessante Erfahrung. Also die haben ja erzählt: Im Sommer gibt es nur Mücken, im Winter kein Licht! Und wir waren genau dazwischen. So in der Zeit, wo es am Tag zwischen 5-10 Grad war, da haben wir dort gedreht. Die Sonne schien. Und ansonsten war da ja auch nichts. Man wusste nur, da gerade aus ist Russland. Auf der anderen Seite ist Schweden. Es ist schon komisch, wenn man sich soweit weg bewegt. Und da waren auch sehr schöne Erfahrungen: Da stand wirklich, wie im Bilderbuch, ein Rentieren mitten auf der Straße. Ich hab das erst einmal für einen Scherz gehalten, als auf den Straßenschildern diese Rentiere waren. Aber dann waren sie wirklich mitten auf der Straße, sind rüber gegangen. Die haben ja da Vorfahrt.


Zuschauer: Was war das denn für ein Film in Argentinien, den sie während der Preisverleihung gedreht haben?


Peter Lohmeyer: Ach so! Ja das ist Zukunftsmusik aber auch schon Vergangenheit, weil das war ein Film, den ich mit einem spanischen Regisseur in Buenos Aires gedreht habe. Es geht um eine Geschichte, die so um 1880 spielt. Ein Deutscher und ein spanischer Emigrant kommen dort an und leben zwanzig Jahre in der Stadt. Deren Erlebnisse und Leben werden beschrieben. Der Film ist in Spanien schon angelaufen. Da war ich auf dem Filmfest in San Sebastian. Aber da es ein spanischer Film ist, wird er wahrscheinlich keinen deutschen Verleiher finden. Vielleicht zeige ich ihn mal hier im Abaton, vielleicht läuft er auch mal im Fernsehen. Es ist schade, weil ich hab ja auch vorher schon einen kubanischen Film gedreht und es ist eben eine irre Erfahrung.


Zuschauer: Wie heißt der argentinische Film?


Peter Lohmeyer: Der heißt... Moment... Der fällt mir gleich ein! Ich melde mich dann, wenn es mir wieder einfällt!


Zuschauer: Kennen sie den Film “Spiel mir das Lied vom Tod“?  Haben sie ihn kurz vorher noch mal gesehen? Es gab da ja eine wunderschöne Szene im Film "Zugvögel", die sehr daran erinnert!


Peter Lohmeyer: Ah, es hat jemand erkannt! Ich bin ja gleich oder bald 37 und meine Generation hat ja noch den guten Zugang zu diesem Western. Ich hab ihn noch im Kino gesehen oder im Fernsehen und wir sind ja da auch mit geprägt. Und es gibt ja da (im Film) ein paar Anspielungen auch auf andere Geschichten. Also ich hab das auch sehr gemocht. Es ist auch unglaublich, wenn man neben jemanden steht, der wirklich nur Finnisch redet (der finnische Polizist im Film) und das ist wirklich keine leichte Sprache. Aber die Idee kam nicht vom mir, die kam von Lichtefeld.


Zuschauer: Wie ist es dazu gekommen, dass sie auf Kuba gedreht haben?


Peter Lohmeyer: Das war auf der Berlinale, als zwei Kubaner auf mich zukamen und sie suchten einen deutschen Schauspieler. Und als ich mich schließlich darauf eingelassen hatte, habe ich die Geschichte zunächst überhaupt nicht verstanden. Sie war in Englisch geschrieben, aber das war nicht das Problem, sondern die Geschichte an sich. Cuba ist für uns oder jedenfalls für mich irre weit weg ist. Aber als ich das Buch dann verstanden hatte, habe ich natürlich sofort zugesagt, weil ich sofort Lust drauf hatte. Dann sagte der Regisseur zu mir, dass es geschätzt 5 oder 10 Sätze auf Spanisch in dem Film vorkommen werden. Es wäre gut, wenn du dich darauf vorbereitest. Das machte ich und hatte dann einen chilenischen Sprachlehrer. Oder? War das eigentlich so? Nicht das ich etwas falsches erzähle. Es war auf jeden Fall ein Lehrer aus Süd-Amerika. Mit dem habe ich dann 10 Stunden am Tag gelernt, was für eine Grundstruktur reichte. Dann bin ich schließlich nach Havanna gekommen und der Regisseur erzählte mir dort, dass sich alles geändert hätte. Er will jetzt alles auf Spanisch drehen! Ich würde nur noch 10 Sätze Deutsch sprechen! Und da Cuba ja mal das Verhältnis zum Osten von Deutschland hatte, konnten einige sogar noch etwas Deutsch. Die haben mir dann geholfen, wie auch meine Dolmetscherin. Und dann konnte ich es auch irgendwie. Aber wir haben ja nicht alles ganz chronologisch gedreht und dann wurde es schon wieder schwieriger, die Situation richtig rüberzubringen. Es war der heißeste Sommer in Havanna seit 30 Jahren! Na ja, dann war im Dezember dort Premiere und dann war das so, dass ich in Havanna vor dem Kino stand und schon so eine Schlange gesehen habe von hundert Leuten und hab mir gesagt, dass das ja schon ganz gut wäre. Dann sind wir rein und sofort auf die Bühne und da waren dann tatsächlich 1400 Kubaner. Ich wusste gar nicht, dass es so groß ist. Bin dann vorgestellt worden, hab dann auch einen Platz gefunden und war dann auch ziemlich aufgeregt, weil: Ich habe bis zu diesem Zeitpunkt nichts gesehen davon. Und danach habe ich dann wirklich “Wow!“ gesagt. Es hat alles funktioniert, es war alles verständlich soweit ich das sehen konnte hat sich keiner aufgeregt. Und danach konnte ich mich auch richtig schön auf meine Rede vorbereiten und es war sogar etwas schöneres als der Bundesfilmpreis, weil ich wirklich so der erste Deutsche dort war.


Zuschauer: Was spielten sie in dem kubanischen Film für eine Rolle?


Peter Lohmeyer: Da spiele ich einen Schweden! Ja, es war irgendwie die Geschichte von einem Schweden der aus Göteborg kam, weil er irgendwie Dreck am Stecken hatte und sich fragt, was könnte er machen. Er steht da so am Flughafen und sieht eben eines dieser Plakate , so wie sie das auch machen wenn sie in den Urlaub fahren oder wegen Steuerhinterziehung abhauen müssen. Jedenfalls ist dort ein Angebot für Kuba ! Er kommt dorthin und fängt an die Touristen dort auszurauben, was die Kubaner überhaupt nicht witzig finden. Das machen die nämlich selber. Es geht aber eben auch darum, die Situation in Havanna zu beschreiben. Weil Havanna gerade dieses Problem hat! Es ist offen für Touristen hat aber immer noch diesen Konflikt mit Castro und so. Und wo ich dann gehört hatte, dass ich einen Schweden spielen sollte hatte ich so meine Bedenken- jetzt auch noch mit einem schwedischen Dialekt Spanisch sprechen. Na ja, der Titel heißt übersetzt so etwas wie “etwas vormachen“, oder “getürkt“ es gibt ja auch was mit einem Schweden... als Sprichwort oder so ähnlich (grübelt). Alter Schwede!!! Und so hat der Regisseur dann gesagt: Dann ändern wir das um, dann spielst du einen Deutschen, der sich als Schwede ausgibt! Ich werde jetzt wahrscheinlich auch meinen nächsten Film dort drehen, wieder mit den gleichen Leuten. Ich rede hier zwar von ungelegten Eiern, aber es sieht zur Zeit ganz gut aus , dass ich vor oder nach dem Sommer dort drehen werde.


Zuschauerin: Wie konnten sie so schnell spanisch sprechen!


Peter Lohmeyer: Ja , wie gesagt, ich hab das dort gelernt und in Argentinien, ein Jahr später konnte ich mit Spaniern oder was heißt mit Spaniern, konnte ich mit Argentiniern zusammen am Tisch sitzen und alles verstehen und...das muss ich noch erzählen! Mein Ritterschlag war in San Sebastian auf der Pressekonferenz. Da kam der Film nicht so gut an und da saßen dann eben 150 Journalisten und ich habe es geschafft zwei Witze zu machen, worüber alle gelacht haben, obwohl ihnen der Film nicht gefallen hat!


Zuschauer: Gibt es auch neue Projekte in Deutschland?


Peter Lohmeyer: Ja, zur Zeit hänge sehr an dem Kuba-Projekt, da das etwas besonderes ist. Da freue ich mich schon die ganze Zeit drauf. Ansonsten spiele ich bald Theater in Berlin in “Die Beleidigten“ im Gorki-Theater. Also, wer Lust hat, kann da ja mal auf den Spielplan gucken...wenn sie gerade in Berlin sind.


Zuschauer: Um was geht es da?


Peter Lohmeyer: Oh, das würde jetzt zulange dauern. Es sind nur zwei Männer und zwei Frauen auf der Bühne, die sich die ganze Zeit über sich selbst unterhalten. Es ist sehr gut, ich hätte es auch nicht geglaubt!

(Die Gesprächsaufzeichnungen sind ohne technische Mittel nach Gedächtnisprotokoll entstanden)


Peter Lohmeyer 1995 im Traumstern Kino in Lich
beim Gespräch für den Film "Bunte Hunde"
Foto: Dennis Albrecht





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