Dienstag, 12. April 2022

VOLKER SCHLÖNDORFF - "Der Waldmacher"

VOLKER SCHLÖNDORFF IM APRIL 2022 IM ZEISE KINO HAMBURG



Am 06. April kam Volker Schlöndorff gleich nach der Berliner Premiere in die Hansestadt Hamburg. Matthias Elwardt hatte ihn eingeladen, seinen ersten langen Dokumentarfilm DER WALDMACHER in den Zeise-Kinos vorzustellen. Kurz nach seinem 83. Geburtstag tut sich der Oscar-Preisträger tatsächlich noch einmal eine Kino-Tour an, die viele dutzende Lichtspielhäuser auf dem Plan stehen hat. 
Er wollte, dass „die Pumpe wieder ansaugt!“ Damit meinte er die Kinos, die seit 2 Jahren Pandemie immer noch sehr leiden. Gerade in Hamburg war immer noch Maskenpflicht am Platz und er freute sich, dass es trotzdem so voll geworden war.
Schon vor dem Kino warteten Autogrammjäger. Ich wartete mit Ihnen zusammen, denn ich wollte von Herrn Schlöndorff eine kurze Antwort auf eine Frage, die eigentlich ein ganzes Buch füllen könnte. 
Doch auch bei mir zeigte er sich sehr offen und zugänglich. Er gab mir das erhoffte Statement und tatsächlich noch ein Autogramm in einem Buch über Babelsberg 1912-1992. 

Dann ging er auf die Bühne und erzählte, dass er gerne im Zeise Kino und in Hamburg ist. Im April 1966 gab es die Hamburg-Premiere seines Debüt-Films DER JUNGE TÖRLESS. Das war damals im schönen HOLI-Kino an der Hoheluft Chaussee. Das war auch schon etwas länger her, aber anscheinend hat die Arbeit beim Film ihn gut konservieren lassen, scherzte er selber und freute sich auf das Gespräch nach dem Film.

Schlöndorff und Elwardt im Zeise Kino
In dem Film ging es um den Australier TONY RINAUDO, der lange Zeit in Afrika an verschiedenen Aufforstungsprojekten mitgearbeitet hatte. Erst sehr spät hatte er eine Methode entdeckt, die endlich Erfolg haben konnte. 2018 wurde er dafür mit dem "Alternativen Nobelpreis" geehrt.
Schlöndorff lernte ihn vor einigen Jahren als Schirmherr einer Organisation kennen. Tony erzählte bei einer Veranstaltung von seiner Arbeit und Schlöndorff war sehr beeindruckt. Als Schlöndorff in einem persönlichen Gespräch mitbekam, dass Tony nicht gerade die Türen mit seiner Methode eingerannt bekam, wusste er, was er tun musste. Das Problem an Rinaudos Technik war es, dass man damit kein Geld verdienen konnte. Somit entschieden sich beide, einen Film darüber zu drehen. Noch am selben Abend stellten sie in einem Hotelzimmer einen 10-Punkte-Plan für einen Vertrag auf. Ein Jahr später war Volker Schlöndorff zusammen mit Tony Rinaudo auf dem Weg nach Mali. 

Dabei machte Schlöndorff selbst die zweite Kamera und arbeitete mit sehr kleinen lokalen Teams. Er spricht selbst bei dem Projekt von einem Essay-Film. Essay heißt von der französischen Sprache übersetzt "Versuch". Er hat einen Dokumentarfilm versucht. Denn irgendwann waren ihm die Bäume als einziges Thema zu langweilig und er hat sich für die Menschen interessiert, die ärmliche Landbevölkerung. Er ist zu den Bauern gegangen und den Bäuerinnen. Gerade Frauen haben eine starke Position in den einheitlichen Ländern. Oft von Männern verlassen, die irgendwo Arbeit oder ein anderes Leben suchen, müssen die Frauen die Kinder, die mit zurückgeblieben sind, irgendwie durch die Hungersnöte bekommen. Die Frauen sagen, was sie meinen, sie sind aktiv, aber sie haben keine Macht. Das Land, die Äcker gehören immer den Männern.

Auf dem Land gibt es viele Kinder und Jugendliche. Schlöndorff erzählte von Fahrten am frühen Morgen, wo sie Horden von Kindern gesehen haben und sie sich ängstlich als Team gefragt haben: „Wo sollen die denn alle irgendwann mal Arbeit finden?“ Es sind so viele. Das Wort "Geburtenkontrolle" wurde im Film tatsächlich auch angesprochen, doch das Thema ist eigentlich verboten. Die Menschen sehen in einer großen Familie mehr Macht und Möglichkeiten. 
Schlöndorff liess bei diesen Themen auch afrikanischen Filmemachern einen Korridor. Was er nicht erzählen konnte, tut er über Ausschnitte aus anderen Filmen. Dadurch entsteht ein Mosaik an Menschen und Themen. Eine erfolgreiche Bäuerin kommt zu Wort, Korruption spielt eine große Rolle. Denn die Fördergelder gehen alle über riesige Projekte, die alle keinen Sinn machen. "Die grüne Mauer", die sich über den ganzen Kontinent von West nach Ost ziehen sollte, hat viel Geld verschlungen. Auch Schlöndorff bestätigt, dass keines dieser Gelder anfänglich in den Dörfern ankommt. Es versickert auch nicht im Sahara-Sand oder in der Sahel-Zone. Nein, es bleibt in Taschen stecken. Als ein Regierungsbeamter für die Filmaufnahmen mit in einem kleinen Dorf mitfahren soll und eine Buckelpisten-Tour von 5 Stunden in Kauf nehmen muss, verlangt er umgerechnet 5000 Euro an Spesen.

Eine Szene ist besonders bemerkenswert. Wir sind in einer Schule. Die Kinder lernen Englisch. Auf die Frage, was sie später mal werden wollen alle Lehrer werden. Niemand möchte als Bauer leben. Andere Berufe gibt es nicht.

Auf die Frage von Geschäftsführer Matthias Elwardt vom Zeise Kino, ob DER WALDMACHER auch in Afrika im Kino zu sehen wäre, antwortete Schlöndorff mit einem seltsamen Lächeln. 

Es gibt in den Ländern, wo Volker Schlöndorff und sein Team gedreht haben, einfach keine Kinos. Wer dort noch nicht war, kann sich sterben das nicht vorstellen. Es gibt nichts. Die Sonne geht um 18:00 Uhr unter. Es ist dann dunkel und es gibt kaum Strom. Das einzige Sonnenpanel vom Dorf speichert nur Strom für die Handys. Darauf werden dann Musik und Filme geschaut, aber ganz andere Werke, als das, was ein deutscher Dokumentarfilm bieten kann. Es gibt nur ein paar Wanderkinos, die von Leuten aus den Niederlanden betrieben werden. Doch sind eher die deutschen Institute, die in den größeren Städten noch einen Zugang zu Kultur ermöglichen. Zum Beispiel das Goethe-Institut. Sonst gibt es dort nichts. 
Rinaudo hatte der Film übrigens nicht gefallen. Er sieht sich nicht gerne im Vordergrund. Doch er macht jetzt wieder weiter. Nach zwei Jahren Isolierung in Australien wollte er jetzt wieder in Afrika beginnen, mit Mitte 60. Er kann auch nicht aufhören.

Und Volker Schlöndorff? Der wollte diktarorischer Entwicklungsminister für ganz Afrika werden. Das hatte er jedenfalls zu seiner Cutterin gesagt, als er mal wieder das Gefühl hatte, mit diesem Film gar nichts bewegen zu können. Die vielen Probleme, die dieser Kontinent hat, erschlagen ihn immer wieder. Da musste mal dieser Scherz erlaubt sein, um die Ohnmacht wenisgtens im kleinen Maße zu bekämpfen.

Nach der Veranstaltung traf Volker Schlöndorff auf Hark Bohm, der mit seiner Frau im Publikum saß. Hark Bohm hatte es gefallen und er gratulierte Schlöndorff. Beide freuten sich sehr über dieses Wiedersehen. Es war ein Treffen der Legenden. Sie gingen noch gemeinsam Essen, ich verabschiede mich, um meinen Bericht über den Abend zu schreiben und bedankte mich später bei Matthias Elwardt, dem Kinoleiter, der diesen Filmabend möglich gemacht hat.
















MATTHIAS HUES "Karate Tiger 2", "Dark Angel" und "Legion Of The Dead"

PERSÖNLICHES INTERVIEW  mit MATTHIAS HUES  Foto von Dennis Albrecht am Set von „Legion Of The Dead“ Fragen von Christian Witte:  Du hast mit...