Samstag, 19. September 2020

FATIH AKIN: "Kurz und Schmerzlos"

KINOGESPRÄCH MIT FATIH AKIN 

im Abaton Kino in Hamburg 

(Sommer 2000) mit Fatih Akin



Filmplakat "Kurz und Schmerzlos", Foto: Wüste Film


Moderation: Ich begrüße auch Fatih Akin heute Abend mit seinem Film "Kurz und schmerzlos". Er muss leider gleich noch auf eine Geburtstagsfeier, deshalb machen wir die Diskussion noch vor dem Film. Ich hoffe, es sind einige im Publikum, die den Film bereits kennen und jetzt schon ein paar Fragen haben. Habe ich erst einmal eine Frage: Woher kommt eigentlich der Titel "Kurz und schmerzlos". Was hat er für eine Bedeutung?


Akin:  Nun, eigentlich gab es den Titel noch bevor ich das Drehbuch angefangen hatte. Ich mache das öfters, dass ich den Titel schon vorher habe. Aber eigentlich soll es auch die Situation der drei Freunde bezeichnen und das was sie dann vor haben, nämlich den Deal mit den Albanern. Sie stellen sich das alles kurz und schmerzlos vor!


Zuschauer:  Wie sind sie eigentlich zum Film gekommen?


Akin: Ich wollte mit meinen Kumpels einen Film schreiben. Ich schrieb auch das Drehbuch und stellte es den einzelnen Filmproduktionen vor, also richtig klassisch mit den gelben Seiten. Und dann landete ich eben bei Wüste Film. Damals waren sie auch noch sehr klein und somit sehr mutig mit diesem Projekt. Wir suchten dann sehr lange nach einem zuverlässigen Regisseur, doch nachdem der Produzent Ralph Schwingel einen 10minütigen Film gesehen hat, den ich für einen "Fuffi" auf Video gedreht hatte, war er eben der Meinung, ich könnte die Regie selbst übernehmen. Und eigentlich wollte ich den Film ja nur machen oder schreiben, weil ich Schauspieler werden wollte. Das ist heute nicht mehr so.


Zuschauer: Warum?


Akin: Ich respektiere und bewundere heute Schauspieler und ich hab es ja nicht ganz aufgegeben. Ich finde, ein Schauspieler hat es wirklich am schwierigsten. Das ist der anspruchsvollste Job überhaupt, jedenfalls was die Filmarbeit angeht. Als Regisseur arbeitest du nie allein. Da hast du dein Team hinter dir, doch als Schauspieler bist du meistens ganz allein mit der Figur, die du verkörpern sollst.


Zuschauer:  Wie bist du auf die Idee gekommen?


Akin:  Es gab wirklich mal so eine Konstellation von Freunden. Ich hab heute noch diese Freunde. Zwar waren beide nicht ganz vom Charakter her so wie im Film, Costas ist vielleicht nicht so abgedreht, doch der andere hatte wirklich immer etwas dubiose Verbindungen und Geschäfte am Laufen. Er wollte unbedingt Gangster werden. Und der Film befasst sich mit der Frage, was geschehen wäre, wenn er es wirklich geworden wäre. Ich hab mich das wirklich gefragt.


Zuschauer:  Welche Vorbilder haben Sie eigentlich?


Akin:  Vorbilder? Was Filme angeht? Regisseure?


Zuschauer: Ja!


Akin : Als ich zu Wüste Film kam, war ich natürlich von Amerika und den ganzen Mainstream-Filmen beeinflusst. Doch Ralph Schwingel war genau das Gegenteil. Während ich mir Tarantino ansah, setzte er mir „Rocco und seine Brüder“ vor. Von Visconti war der Film. Ich musste das dann bis zum Erbrechen sehen. Aber so haben wir auch gesehen, wie wir unseren Film drehen konnten. Mit langen Einstellungen und gar nicht viel Licht, mit Handkamera und so weiter. Wir hatten ja gerade mal 1 Millionen Mark zur Verfügung, das ist wirklich nicht viel.


Zuschauer: Waren die Schauspieler eigentlich Profis? Wie viel Erfahrung brachten sie mit? Waren die Akteure aus deinem Freundeskreis?


Akin:  Also, die meisten hatten wirklich nicht viel Erfahrung. Zum Beispiel die Figur "Costa"  (Adam Bousdoukos)  ist wirklich ein alter Freund, den ich schon seit der 5. Klasse kenne. Es hat mir wirklich sehr viel Blut und Wasser gekostet, um die Geldgeber davon zu überzeugen, dass ich nur ihn für diese Rolle haben wollte. Und er war wirklich sehr gut und lebt heute inzwischen von der Schauspielerei.
Der Serbe „Bobby“ (Aleksander Jovanovic)  war eher ein Kleindarsteller, also mit kleinen Auftritten bei einigen Serien. Und nur der Albaner "Muhamer"  (Ralph Herfort)  hatte schon ziemlich viel Erfahrung. Alle sind jetzt ganz gut im Geschäft.


Zuschauer:  Wie entwickelst du eigentlich die Charaktere deines Filmes? Hast du da eine bestimmte Technik?


Akin:  Ich hab verschiedene Techniken. Meistens suche ich aber die Charakterbilder aus Leuten aus, die ich kenne, manchmal aus meinem Freundeskreis. Das passt dann ganz gut.


Zuschauer:  Gibt es eigentlich eine Connection zwischen Hamburg Filmern? Kennen Sie Sebastian Schipper und seinen Hamburg-Film "Absolute Giganten"?


Akin: Ja, inzwischen kenne ich Sebastian. Er hatte "Kurz und schmerzlos" noch vor dem Start mit mir zusammen angesehen. Er schrieb damals gerade das Buch für "Absolute Giganten" und hatte irgendwo meine Nummer herausgefunden. Er rief mich an und bat mich um diese Vorschau, da er gerade bei X-Filme begonnen hatte. Und weil er so sympathisch wirkte, lud ich ihn dann ein. Er hat dann auch meinem Cutter Andrew Bird, mit dem ich "Kurz und schmerzlos" schnitt, gleich übernommen. Ansonsten verbindet uns, wenn Sie jetzt diese zwei Hamburg-Filme vergleichen, nicht viel. Er hat ganz andere Orte eingefangen, die mir erst einmal gar nicht so auffallen würden.


Moderation: Man muss dazu auch noch bemerken, dass Fatih schon von Geburt an in Hamburg lebt und Sebastian eigentlich nur zwei Jahre hier wohnte. Er hat auch eher einen Film über den Abschnitt seines Lebens gedreht. Jetzt wohnt er inzwischen in Berlin. Er hat auch gar nicht so mit Hamburger Filmleuten gearbeitet, wie Fatih. Die Darsteller kamen alle von außen und die Produktionsfirma X-Filme, die von Tom Tykwer geführt wird, sitzt ja in Berlin.


Akin:  Aber ich glaube, der Kameramann kommt aus Hamburg.


Zuschauer:  Und du kommst aus Altona?


Akin:  Ja!


Zuschauer:  Ist Ihr nächster Film schon fertig?


Akin: Ja, der ist fix und fertig und hat höchstwahrscheinlich am 22. Juli Premiere hier in Hamburg. Der Start ist dann aber im August.


Zuschauer: Wie heißt der Film?


Akin: Er heißt "Im Juli". Es ist ein Roadmovie in dem ein Pärchen von Hamburg nach Istanbul fährt und das Mädchen nennt sich immer nach den Monatsnamen. Also im Juli heißt sie dann auch so und im August dann wahrscheinlich Augustine oder so...


Zuschauer: Gab es diesen Namen auch schon, bevor sie das Drehbuch geschrieben haben?


Akin: Nicht ganz. Ich hatte es ziemlich früh geschrieben, eigentlich mit "Kurz und schmerzlos" zusammen. Diese zwei Projekte waren so meine wichtigsten, die ich auf jeden Fall machen wollte. Denn beides sind auch ganz verschiedene Filme. Wenn man "Kurz und schmerzlos" als Nachtfilm betrachten will, dann ist "Im Juli" genau das Gegenteil, es ist ein Film über die Liebe. Aber ich hatte jetzt schon öfters Probleme mit dem Titel. Erst hieß er ja "2000 Kilometer Leidenschaft" und mir wurde dann nahe gelegt, dass ich mir doch bitte einen neuen Namen ausdenken sollte. Nun werde ich immer gebeten, den Namen des Filmes zu sagen und nicht den Starttermin, aber so heißt er eben nun mal "Im Juli".


Zuschauer: Sind sie mit dem Film zufrieden?


Akin: Ja, das bin ich. Er ist sehr schön geworden!


Zuschauer: Gibt es auch schon weitere Pläne?


Akin: Natürlich! Ich habe jetzt einen einstündigen Dokumentarfilm fertig gestellt. Dabei geht es um meine Eltern, wie meine Familie von der Türkei nach Deutschland kam und so weiter.


Zuschauer: Auch ein sehr persönlicher Film!?


Akin: Mein persönlichster Film überhaupt. Und dann überarbeite ich gerade ein Drehbuch für jemanden und bereite gleichzeitig meinen neuen Film vor, wobei das Drehbuch diesmal nicht von mir ist.


Zuschauer: Würdest du dich selbst als Autorenfilmer bezeichnen?


Akin: Der Begriff Autorenfilm hat so gelitten, ist so vergewaltigt worden in Deutschland, weil man es immer mit Amerika vergleicht. Die können sich gar nicht vorstellen, dass einer fast alles macht! Aber ja, ich würde mich so bezeichnen.


Zuschauer: Machen sie eigentlich noch etwas beruflich?


Akin: Ich mache jetzt mein Diplom auf der HfBK (Hochschule für Bildende Künste) in Hamburg. Also ich bin noch Student.


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