Mittwoch, 5. April 2023

RADEK WEGRZYN mit „Miss Holocaust Survivor“

Radek Wegrzyn mit seinem Dokumentarfilm „Miss Holocaust Survivor“ am 23.11.2022 im Scala Kino Lüneburg.

Foto vom Plakat. Quelle: crew-United.de

Die Nordmedia veranstaltet jedes Jahr das Medien-und FilmForum in Lüneburg und zeigt dabei Filme aus dem Förderprogramm des Bundeslandes Niedersachsen.


Moderation: Großer Applaus. Siehst du den Film jetzt zum ersten Mal im Kino?


Wegrzyn: Zum zweiten Mal. 


Moderation: Zum zweiten Mal. Und es ist immer noch toll?


Wegrzyn: Ja. 


Moderation: Ich bin ja froh, ich hab ihn ja auf dem Laptop gesichtet und es ist doch noch mal ein großer Unterschied so auf de großen Leinwand und dem Sound. Das war jetzt noch mal sehr ergreifend. 


Wegrzyn: Deshalb hab ich den Film gemacht.


Moderation: Wie bist du auf das Thema gekommen? Du hattest es ja schon mal vor drei Jahren auf dem Film- und Medienforum vorgestellt, aber ich hatte ja bis dato noch nie etwas davon gehört. Erzähl doch mal, wie du darauf aufmerksam geworden bist. 


Wegrzyn: Über einen Artikel im „The Guardian“, der diesen Wettbewerb beschrieben hat. Und als ich den gelesen habe, dachte ich: Wow, darüber gibt es bestimmt schon mindestens vier Dokumentarfilme. Denn es war schon die 5. Ausgabe des Wettbewerbs. Ich habe dann trotzdem sofort mal recherchiert und fand heraus, dass es tatsächlich noch nichts gab. Dann bin ich da hingefahren und es hat sich herausgestellt, dass ein anderes Filmteam mit mir zeitgleich gedreht hat, aber die hatten einen ganz anderen Fokus. Und dann habe ich gesagt, diesen Film will ich machen, diesen Film muss ich machen. 


Moderation: Wann war das? War das jetzt 2015 mit dem Contest?


Wegrzyn: Nein. Der Wettbewerb selber war das erste, was wir gedreht haben. Das war 2018. Wir haben 2019 auch gedreht, das war der Hauptteil. Dann 2020 ganz kleines Stück und dann, na ja, Anfang 2020 kam dann Corona und Covid und hat uns bei ganz vielen Dank einen großen Strich durch die Rechnung gemacht, obwohl wir schon in der Postproduktion waren. Ich selber spreche kein Hebräisch und eine Geschichte war Anfang 2020 mit Covid, dass viele israelitische Cutter*innen, die in Deutschland gelebt haben, relativ schnell nach Israel gefahren sind. Da gab es ja guten Zugang zu den Impfstoffen und ich verlor schnell die Leute, mit denen ich hier arbeiten wollte. Und die Preise sind absurd nach oben gegangen. 


Moderation: Wie bist du denn in Kontakt mit den beiden großartigen Protagonisten gekommen? Du hattest da ja ein glückliches Händchen, dass die dann am Ende den ersten und zweiten Platz gemacht haben. Du wusstest das natürlich?


Wegrzyn: Als ich das erste Mal hingefahren bin, habe ich Rita schon getroffen, aber sie war da noch nicht Protagonistin. Erst als ich das zweite Mal hingefahren bin und mit ihr ein Interview gemacht habe und dabei ihre Geschichte gehört und kennengelernt habe, dachte ich, ja, das ist auf jeden Fall eine Hauptdarstellerin. Die ist dann auch als erstes da gewesen. Tova ist eigentlich erst auf die Bühne getreten, als der Wettbewerb angefangen hatte. Da hatten wir sie dann interviewt und erst da hatte ich gemerkt, was das für eine besondere Person war. Ich hab mich dann über sie erkundigt und sie war damals 93 Jahre alt gewesen, aber eigentlich schon 95! Und sie geht ja noch ins Fitnessstudio! Da habe ich schon gemerkt, dass da jemand ist, die nicht nur vom körperlichen noch sehr fit ist, sondern auch Spirit hat. Das ist ein großer Kontrast zu Rita, das war mir auch sehr wichtig. 


Moderation: Wie hast du mit den beiden kommuniziert? Mit Rita hast du dann  in Englisch gesprochen? War da eine Übersetzerin?


Wegrzyn: Bei Tova hatte ich tatsächlich eine Übersetzerin, das war unsere zweite Kamerafrau. Dabei spricht Tova sogar englisch und auch deutsch spricht sie, was sie aber sehr ungern tut. Auch polnisch hat sie noch etwas drauf. Das war ja alles in Polen, wo sie damals geboren worden ist. Und so hatte ich die Möglichkeit mit ihr zu kommunizieren. Aber im Interview wollte ich, dass sie in ihrer stärksten Sprache spricht und das war ihre Muttersprache- Hebräisch. 


Moderation: Wie war das überhaupt, als deutsche Produktion einen Film über Holocaust-Überlebende zu produzieren? War das irgendwie ein Schock? Und half da deine polnische Abstammung und Name? War da Wegrzyn besser als Müller? 


Wegrzyn: Überhaupt nicht! Linguistisch war es ein Vorteil, weil einige Damen immer noch polnisch sprechen. Es hat überhaupt keine Rolle gespielt, woher ich komme. Wir wurden sehr offen dort aufgenommen, sehr viel Vertrauen gab es. Das war natürlich großartig. Es gab trotzdem ein paar amüsante Situationen, denn Tova dachte eine sehr lange Zeit, dass wir jüdisch wären. Aber es kam eben nie zur Sprache. Und als sie es rausgefunden hatte, fragte sie, ob wir für irgendetwas büßen wollen. Das war auch ein Teil von Tovas Humor. Die beiden sind großartige Frauen.


Moderation: Kannst du uns noch mal etwas über dieses Wohnheim erzählen? Das war ja eine christliche-evangelikale Organisation, die dieses Altersheim für jüdische Holocaust-Überlebende geleitet hat. Wie können wir das einordnen?


Wegrzyn: Ja, das musste ich für mich auch erst einmal einordnen. Also, einiges kann man aus der Entfernung von 3000 Kilometern sehr einfach betrachten. Wenn du in das Land kommst, wenn du die Menschen kennenlernst, dann wird sich das Schwarz-Weiß, was wir aus Deutschland kennen, schnell auflösen. Dieses Wohnheim wird zum großen Teil von christlich-zionistischen Menschen finanzierte, die alle der Überzeugung sind, Christus wird ein zweites Mal auf die Erde zurückkommen und alle werden dann zum Christentum übergehen und alle zusammen in Jerusalem feiern. Deshalb gibt es auch diesen einen Moment, wo der Leiter des Heims, neben den anderen Leuten dort, gefragt wurde, wie das so ist, wenn alle zum Christentum übertreten werden. Und er meinte dann so: „Na ja, wenn der Messias dann kommt, dann gucken wir doch erst einmal.“ Ich habe das alles versucht in diese Radio-Interviews unterzukriegen, die übrigens alle aus Quellen aufgenommen wurden. Da ist nichts erfunden, da habe ich versucht diese Sachen etwas ambivalent einzuordnen. Denn es geht ja gar nicht um einen Schönheitswettbewerb mit Holocaust Überlebenden. Kann man das überhaupt erzählen? Sollte man das überhaupt machen? Ich musste ziemlich schnell herausfinden, wie ich durch dieses Thema als Filmemacher navigiere. Und letztlich gibt es für mich nur eine Perspektive. Die einzigen, die wirklich eine Meinung darüber haben dürfen, ob es berichtigt ist oder nicht, sind die Leute, die heute noch leben und das durchgemacht haben. Das sind die einzigen, die ich akzeptieren würde. Man urteilt sehr schnell, aber eine Sache ist absolut nicht zu negieren: Diese Frauen auf der Bühne hatten nicht nur einen riesigen Spaß an diesem Tag, sondern hatten auch eine Energie, die sie vom Publikum und von ihren Familien bekommen haben. Das war ihnen unglaublich wichtig und es war einzigartig. Und da stelle ich mich gerne auch mit meiner eigenen Meinung gerne hinten an. 


Moderation: Also, ich finde, die Energie ist total rübergekommen, selbst hier über die Leinwand, das fand ich ganz eindrucksvoll. Aber ich würde dich gerne noch mal etwas fragen zu den Interviewsituationen: Hast du dich im Vorfeld mit dem Thema Re-Traumatisierung beschäftigt? Weil, das ist ja so ein Thema, dass sich bei Zeitzeugen ja etwas tun kann, wenn in den Erinnerungen gegraben wird. Gut, Rita spricht ja in Schulen darüber, die wird sehr versiert sein, bei Tova wäre ich mir da nicht ganz so sicher.  Wie hast du dich also vorbereitet, hast du dich mit dem Thema beschäftigt?


Wegrzyn: Ich habe mich anfangs nicht mit dem Thema beschäftigt. Dann habe ich mich damit beschäftigen müssen, immer mehr, um so länger die Dreharbeiten waren. Ich habe auch gemerkt, dass eine bestimmte Schicht im Film rüberkommt. Es ist die letzte Generation, ja, das stimmt und es sind die letzten Zeitzeugen, aber Holocaust Überlebende gehen meist sehr unterschiedlich damit um. Denn der „Aha-Moment“ kam tatsächlich erst im Schnitt, das passiert öfters im Dokumentarfilm. Als Maja ich ich da saßen und wir festgestellt hatten, daß der Unterschied zwischen Rita und Tova sich davon unterscheidet, dass Rita davon lebt. Tova lebt davon, dass sie vergessen möchte. Natürlich haben wir während der Interviews gemerkt, wie das Tova aufgewühlt hat. Sie hat in der Zeit mehrere Nächte mit Albträumen zu kämpfen gehabt, das haben mir ihre Söhne gesagt. Sie haben mich aber auch beruhigt in dieser Hinsicht. Sie haben mich da etwas in Schutz genommen und haben gesagt, dass das auch wichtig ist, das sie das erzählt. Das wichtigste für mich war es, als ich nach Israel gekommen bin, dass ich den Betroffenen den Film zu allererst zeige. Das war für mich natürlich der erste Herzschlag-Moment als ich da mit der gesamten Familie saß und beide fanden den Film großartig. Ich habe sie auch nicht zusammen in einen Screen, sondern einzeln gesetzt. In beiden Vorstellungen war die Reaktion unglaublich positiv, das war auch für mich sehr wichtig. Weil ich auch als Dokumentarfilmer eine Verantwortung für die Protagonst*innen habe. Das darf man nicht unterschätzen. 


Moderation: Ich würde gerne noch etwas zur Dramaturgie und Struktur fragen: Du hast ja schon die Radio-Interviews als wiederkehrende Elemente angesprochen und dann gab es noch die Reenactment-Szenen aus dem Buch von Riva. Wann ist die Entscheidung gefallen, dies zu machen, relativ früh oder erst später im Schnitt, weil ihr gemerkt hat, da fehlt noch etwas?


Wegrzyn: Für die Tagebücher haben wir uns sehr früh entschieden. Als ich Rita zum ersten Mal getroffen habe, hat sie mir die Tagebücher schon in die Hand gedrückt. Das habe ich natürlich sofort gelesen und habe gesagt, das muss auf jeden Fall rein. Ganz am Anfang gab es noch die Idee, das mit Animation zu machen. Da haben wir einiges ausprobiert, aber wir haben gemerkt, dass das ein ziemlicher Drahtseilakt war. Und irgendwann haben wir uns dazu entschlossen, dies mit Reenactments zu machen. Denn im Laufe der Planung ist mir aufgefallen, je abstrakter ich das versuche zu halten, also je weniger konkreter ich werde, desto stärker wird es. Also wir haben auch konkretere Sachen gedreht. Aber es ist wirklich ein schmaler Draht. Es geht ins kitschige und es behält seine Stärke, so könnte man es nennen. Und was auch wirklich ein seltsamer und emotionale starker Moment war, als wir die Grube gedreht haben. Das haben wir ziemlich am Ende gemacht. Und als ich diese Ausmaße gesehen habe, weil wir alles ganz genau ausgemessen hatten, ohne das Dach oben drauf, wo diese Leute 19 Monate ausgeharrt haben, das war für mich noch so ein Aha-Moment, ein ganz starker Schlag in die Magengegend. 



Moderation: Wie geht es denn jetzt weiter mit dem Film? Du hast erzählt, ihr wart jetzt schon mal in Israel damit, habt ihn dort gezeigt. Ihr habt ihn heute auf dem Forum gezeigt, ich schätze mal, es wird eine große Festivalauswertung geben? Wie sind die Pläne, gibt es schon Zusagen? Ist schon ein Kinostart geplant oder wie wird es jetzt weiterlaufen mit dem Film?



Wegrzyn: Kinostart ist für das nächste Jahr im April oder Mai geplant. Wir haben da ein bis zwei ungewöhnliche Vermarktungsideen, was den Start von Dok-Filmen angeht, weil Dokus im Kino immer noch einen sehr schwere Stand haben. Und im Moment ist es ja so, dass man dazu verpflichtet ist, jedenfalls seitens der DFF, dass man mit mindestens 8 Kopien eine Woche lang im Kino läuft. Dabei bin ich aber eher der Meinung daraus einen Event zu machen. Also die Kinokopien gar nicht in die Breite zu streuen, sondern eher auf 1-2 Wochenenden zu konzentrieren. Und wenn es dann gut läuft, dann kann man es immer noch weiter laufen lassen. Da muss man sehen, inwieweit der DFF mitspielen wird. Aber ich glaube, da muss man einfach auch mit der Zeit gehen. Eigentlich ist ja die Kinoauswertung eine Art Ritterschlag, aber die Einnahmen macht ein Film woanders, leider. Die Wirkung der großen Leinwand ist unbestritten, also die ist unglaublich. Und was Festivalauswertung angeht, da schauen wir jetzt gerade. Bei einigen Festivals haben wir natürlich eingereicht, die sind im Rennen. Wir hatten eine nicht ganz fertige Fassung angemeldet, das würde ich heute nie wieder so machen. Aber einfach mal ein paar Zahlen als Realtitäten, denn es ist eigentlich total egal, ob die A-Festivals, wo der Film jetzt liegt, unser Werk gut finden oder nicht. Wir haben beim Sundance eingereicht. Sundance hat knapp 200 Slots, für Kurz- und Langfilm zusammen. Es haben in diesem Jahr allein 14.000 Filme eingereicht. Festival ist für ganz viele Filme Auswertunsgmodus Nummer 1, aber es ist auch ein unglaublich hart umkämpfter Sektor. Es gibt eine unglaubliche Menge an jüdischen Festivals. Und es gibt, das ist das gute daran, es gibt eine großen Zusammenhalt innerhalb der jüdischen Gemeinden. Da ist das Interesse groß.Und das ist auch der Weg, den wir fahren wollen. 


Moderation: Also, ich sag jetzt schon mal ganz viel Glück dazu, das ist grandios gewesen. 


Zuschauerin: Vielleicht ist es mir entgangen. Was hat sie dazu gebracht, sich dieses Thema auszusuchen?


Wegrzyn: Zwei Dinge! Einmal war es der „The Guardian“ Artikel und mein Instinkt dafür, was ein guter Dokumentarfilm werden könnte. Das ist das eine. Das andere ist, dass dieser Film zum Teil meiner Großmutter gewidmet ist, die nicht mehr lebt. Die auch schon seit 10 Jahren nicht mehr lebt. Und die ich in ihrer Stärke als Frau, Zeit ihres Lebens unterschätzt habe. Relativ viele Dinge, zum Beispiel wie sie gelebt hat und wie sie Entscheidungen getroffen hat, habe ich erst spät begriffen. Ich würde nicht sagen, dass ich den Film für meine Großmutter gemacht habe, das wäre mir auch zu kitschig und zu pathetisch, aber starke Frauen spielen in vielen meiner Geschichten ein große Rolle. 


Zuschauerin: Sie haben das gerade kurz angesprochen, aber ich würde gerne wissen, was sie während der Interviews gefühlt haben. Denn das eine ist es, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich komme aus Russland, ich habe mich auch schon damit beschäftigt, aber das andere ist, da zu sitzen und die ganzen Geschichten von den Menschen zu hören, die es tatsächlich überlebt haben. Deswegen würde ich gerne wissen, was sie selbst gefühlt haben. Und ob dies ihr Leben oder ihren Blick auf das Leben geändert hat?


Wegrzyn: Ich weiß nicht, was mein Blick auf das Leben geändert hat. Das ist eine relativ große Frage und da möchte ich auch nicht spekulieren. Was ich sagen kann ist, dass es ein riesigen Unterschied ausmacht, über Dr.Mengele zu lesen und vor jemanden zu sitzen, der erzählt, dass er vor Dr. Mengele stand. Davon gab es zwei bis drei Überlebende in diesem Heim. Man liest so häufig, wie wichtig es ist, von Zeitzeugen etwas erzählt zu bekommen, also von Menschen, die da waren. Und ich stimme mit 1000 Prozent zu. Kein Buch und ich habe viele Bücher gelesen, kein Buch kann das ersetzen! Kein Buch schafft es diese Geschichten so stark rüberzubekommen, wenn eine 95jährige Frau vor dir sitzt und dir versucht begreiflich zu machen, wie es wirklich war. Es ist nicht zu vergleichen. Insofern hat es mein Leben geändert? Ich weiß es nicht. Es hat auf jeden Fall mein Leben sehr bereichert. 


Zuschauerin: Sie haben es gerade angedeutet, diese Verantwortung die sie als Dokumentarfilmer für die Protagonisten haben. Wie äußert sich das? Wie gehen sie damit um? Wen holen sie sich ran, um dem auch gerecht zu werden? 


Wegrzyn: Es fängt damit an, dass die Beziehungen zu den Protagonstinnen nicht nach den Dreharbeiten zu Ende sind. Das ist ganz ganz wichtig. Also, inzwischen sind die Abstände größer geworden, aber mit Rita habe ich immer noch alle 2 Wochen Kontakt. Und das war unglaublich wichtig für sie, weil für sie war es noch wichtiger als alle anderen, dass dieser Film entsteht. Damit ihre Geschichte erzählt wird. Und dadurch, dass sie in ihrem Leben schon einige Enttäuschungen gehabt hat... Rita kippt immer wieder schnell vom optimistischen bis hin zum paranoiden. Es war unglaublich wichtig, sie dort abzuholen und nicht hängen zu lassen. Da hat auch das Heim ganz großartig mitgeholfen. Aber das ist ein Teil der Verantwortung, die man trägt. Das ist eigentlich bei jedem Dokumentarfilm so. Bei dem Projekt davor bin ich mit den Protagonisten auch immer noch in sehr gutem Kontakt. Dieses gegenseitige Vertrauen muss man sehr sehr ernst nehmen. Und die andere Seite ist natürlich die Sache mit der Re-Traumatiseriung. Und da hat man nicht unbedingt eine Handhabe jemanden aufzufangen. Man ist nachts dann nicht da, wenn diese Albträume kommen. Aber die kommen auch nicht einfach so, wenn sie jemanden eine Geschichte erzählen. Also, das war so eine Sache, die passiert ist, die ich dort gelernt habe. Menschen, die so traumatisiert worden sind, haben ein sehr "busy life" gehabt, sprich Familie, Kinder usw. Und dann plötzlich, nicht mehr arbeiten und ganz viel Zeit haben. Die Regel ist, dass alle mehr und weniger schwer damit umgehen müssen. Manche müssen medikamentös damit umgehen, viele von ihnen... Und das ist auch ein Teil, der Verantwortung, die ich hoffentlich gerecht wurde, als ich ihnen diesen Film gezeigt habe. Es ist großartig. Das war für mich der Moment, wo der Druck abgefallen ist. 


Zuschauer: Du hast zweimal auch die Protagonsitin schlafend gezeigt. War das so geplant oder hat sich das so ergeben?


Wegrzyn: Das war absolut meine Idee. Ich will nicht sagen, dass ich das in jedem Dokumentarfilm mache, aber jemand schlafend zu zeigen, hat eine ganz besondere Verwundbarkeit und erfordert einVertrauensverhältnis, was auch  bestehen muss, damit sie es auch zulassen, dass du sie schlafend zeigst. Und bei Rita war es so, dass wir relativ lange in diesem Raum zusammen waren, was auch nicht normal für sie ist. Selbst für uns war es befremdlich, obwohl wir sie nun schon sehr lange mit der Kamera begleitet hatten. Die Szene, wo sie nachts schlafend gezeigt wird, die war sozusagen geplant. Die andere Szene war nicht geplant. Und zwar hatte Rita gemalt und sie macht danach gerne mal ein Nickerchen und sie hat sich dann einfach auf die Couch gelegt. Das war eine seltsame Szene, denn sie hat sich auf die Couch gelegt und ich hatte meinem Kameramann und Tonmann frei gegeben, damit sie auch mal eine halbe Stunde Pause haben und runter gehen können. Und dann war niemand da außer mir und der schlafenden Rita. Und da hab ich schon gemerkt, dass das ein besonderer Moment ist. Ich hab dann die Kamera genommen und das selber gedreht. 


Zuschauerin: Mich interessiert es, wie habt ihr den Ton gemacht? Habt ihr das immer geangelt? 


Wegrzyn: Ja, wir haben immer geangelt, hatten aber auch andere Funkmikrofone. Und das war sehr wertvoll, denn bei den Proben ging vieles drunter und drüber. Klar, der Tonmann bleibt dann immer beim Kameramann, logisch, aber nur so hatten wir auch die Chance viele kleine Zwischenkommentare, z.B. die gehässigen Bemerkungen mitzubekommen. Die Kamera war ganz woanders, aber durch Ansteckmikros bekamen wir alles mit. Was mir an dem Film wichtig war: Das ist das, was Zeitzeugen auch machen können. Sie können es auf eine menschliche Ebene runterbringen. Wir tendieren hier, also besonders hier in unserem Land, vielleicht aus guten Grund, zu „überhöhen“. Und eine der Stärken des Films ist es hoffentlich, dass man nicht vergisst, dass es Menschen sind. Dass es eben Frauen sind, die auch ihre Nickligkeiten haben und sich durchaus auch gegenseitig ärgern können. Und das es durchaus auch Konkurenzkampf gibt!


 
 

    

 


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