Montag, 21. September 2020

SAM MENDES: "American Beauty"

KINOGESPRÄCH: AMERICAN BEAUTYFilmdiskussion im Abaton Kino in Hamburg (Juni 2000) mit Sam Mendes

                                                                       Foto: Dreamworks


Sam Mendes betritt den Kinoraum. Angekommen bei der Leinwand wird er von Rosenblättern überschüttet, die von der Decke gekippt werden. Er steht kurz und wohlwollend im Regen der Rosenblätter. Dann geht er zum Mikrofon.


Mendes: Guten Abend! Ich freue mich wirklich, heute Abend hier in diesem wunderschön dekorierten Kino zu Gast zu sein. Ich war schon ganz angetan vom Eingang, überall Rosen. Selbst die digitalen Kameras fehlen nicht. Hallo Mama!


Er wird von mehreren Zuschauern mit DV-Kameras gefilmt, die auch im Film vorkommen. Er winkt hinein.


Zuschauer: Es gab da einige Gerüchte in der Presse, dass sie  die ersten zwei Drehtage 
vollständig wiederholen ließen. Ist das wahr?


Mendes: Natürlich ist das nicht wahr! Es lief von Anfang an alles glatt und wie geschmiert! (Er lächelt)Aber jetzt mal im Ernst: Ja, es war so passiert, ich habe alle Szenen wiederholt!


Zuschauer: Welche Szenen waren das? Und warum?


Mendes: Das war im Fast-Food Restaurant, im "Mr.Smiley". Es ist ja so, dass man die Muster (das gedrehte Material) zum Sichten erst am dritten Tag zu sehen bekommt. Man dreht den 1. Tag, dann den 2. Tag, und dann am 3. Tag sieht man erst, was man gemacht hat. Und es stimmte nichts. Absolut nichts. Das Dekor, die Lichtstimmung, die Nebenrollen, einfach alles. Ich bin dann zu Dreamworks, zu meinen Produzenten gegangen und habe gesagt, dass ich diese Szenen noch einmal drehen möchte oder eher muss. Und die haben dann kurz überlegt und ja gesagt. Ich hab aber gesagt, dass ich diesmal eine Woche dafür brauchen werde und nicht wie zunächst zwei Tage. Da kam die Zusage schon etwas zögerlicher. Denn wir hatten nur 15 Millionen Dollar Budget, das ist nicht besonders viel. Ich musste um jeden Dollar kämpfen. Doch am Ende haben alle gesagt, das es besser war. Selbst Kevin Spacey, dem ich das ganze kleinlaut beichten musste und er zunächst dachte, er hätte was falsch gemacht, war dann zufrieden.


Zuschauer: Welche Rolle spielen die Drogen in dem Film, die Lester und Ricky zu sich nehmen?


Mendes: Ich wollte jedenfalls jetzt nicht damit sagen: "Hey, nehmt Drogen und euer Leben verwandelt sich!" Es ist nur eines von vielen Dingen, die Tabu sind, aber in unserer Welt existieren. Da gibt es Gay-People, da gibt es ansatzweise Sex mit Kindern und so weiter. Die Drogen sind letztendlich nur eine Station in seiner Wandlung, mehr eigentlich nicht.


Zuschauerin: Nach der Mode anderer Filme zu urteilen, müsste es ja bald einen zweiten Teil von "American Beauty" gebe. Denken sie daran?


Mendes: (lacht) Natürlich, nach "Die Mumie 2" und "Mission Impossible 3" müsste es ihn eigentlich geben. Doch was soll noch passieren? Lester ist tot. Das ist ja gerade das schöne an dieser Story, sie ist so abgeschlossen. Er sagt am Anfang, dass er sterben wird und genau das wird auch so passieren. Außerdem habe ich besseres zu tun, als mir über eine Fortsetzung den Kopf zu zerbrechen.


Zuschauer: Haben Sie denn schon neue Projekte?


Mendes: Ich werde auf jeden Fall wieder einen Film drehen, wieder zusammen mit Dreamworks. Ich überarbeite gerade das Drehbuch und ich hoffe, im Sommer wird dann das Casting beginnen können. Und dann arbeite ich noch in London, wieder an einem Theaterstück.


Zuschauerin: Hatten sie eigentlich für sich eine Traumbesetzung? Waren sie zufrieden? Wie viel Einfluss hatten sie darauf?


Mendes: Ja, natürlich hatte ich eine Traumbesetzung. Ohne dieses Cast wäre dieser Film  niemals so geworden. Ohne Kevin, ohne Anette oder einem Chris Cooper. Nur bei den Jugendlichen hatte ich ziemlich Probleme diese zu besetzen, insbesondere bei Ricky. Ich fand irgendwie nicht den richtigen, obwohl ich nach beinahe 6 Wochen ein paar heiße Kandidaten hatte. Doch sie waren nicht ganz perfekt, obwohl wir schon fast ganz Los Angeles abgegrast hatten. Doch dann, zwei Tage, bevor wir das Casting abschließen wollten, kam Wes Bentley durch die Tür und hielt uns ein Polaroid vor die Nase. Er war darauf abgebildet. Es knisterte richtig im Raum, jeder wusste sofort, dass er es war. Die Produzenten, die Casting Agenten, einfach alle sahen die richtige Besetzung. Und es funktionierte gut mit den jungen Darstellern, mit Thora, Wes und Mena, die sich ja nun gegen diese erfahrene Gilde erst durchsetzen mussten und Kevin Spacey ist nun wirklich nicht irgendjemand.


Zuschauer: Wer hat diese tolle Musik für den Film geschrieben und wie kann man die bekommen?


Mendes: Das war Thomas Newmann und die CD müsste im Laden zu finden sein.


Zuschauer: Aber da sind nicht diese Stücke drauf, die ich meinte!


Mendes: Ja, ach so. Danach werde ich öfter gefragt. Es gibt zwei CD´s! Auf der anderen ist es dann.


Zuschauer: Und was war das für ein Song, als die Credits (der Abspann) liefen?


Mendes: Das war von den Beatles, John und Paul haben es geschrieben. Da wir jedoch nur dieses kleine Budget hatten, konnten wir es uns natürlich nicht leisten, die Rechte davon zu kaufen. Deshalb haben wir es einfach gecovert.


Zuschauer: Es gibt ja auch teilweise sehr an Slapstick erinnernde Szenen, wie zum Beispiel die Bettszene mit Anette Benning und Peter Galagher. War das so beabsichtigt?


Mendes: Ja, das war es. Ich fand die Szene sofort sehr lustig, obwohl ja viele Szenen beides oder vieles beinhalten sollten. Sie waren zum einem sehr lustig, aber auch sehr traurig. Das macht die ganze Stimmung aus, schon vom Drehbuch aus. Aber es war manchmal sehr schwer, gerade die Ernsthaftigkeit bei diesen Szenen zu halten. Als Kevin zum Beispiel unter der Bettdecke masturbierte, musste Anette jedes Mal losprusten wenn er so Sachen sagte wie: "Ja, ich reibe an meiner Banane!" Wir hatten wirklich kaum einen vernünftigen Take und selbst im Film sieht man ihr jetzt noch an, wie sie mit sich kämpft und jeden Augenblick loslachen kann. Aber vieles kam eben auch sehr improvisiert. So etwas bringen dann solche Schauspieler wiederum mit, zum Beispiel als Kevin das Gespräch mit dem Kunden am Telefon hat.


Zuschauer: Ja, genau da gab es auch eine wunderschöne Szene mit Anette Benning. Als sie das Haus nicht verkaufen konnte. Da bleiben sie mit der Kamera sehr lange stehen. Und auch in anderen Szenen kam der Schnitt sehr, sehr verzögert!


Mendes: Ja, ich wollte den Zuschauer einfach ganz allein im dunklen Raum stehen lassen, zurücklassen.


Zuschauer: Würden sie eigentlich jetzt etwas anders machen? Gibt es überhaupt etwas, was ihnen an ihrem Film nicht gefällt?


Mendes: Sicherlich. Der Film ist für mich nicht perfekt. Es gibt viele kleine Szenen oder Situationen, die ich jetzt am liebsten noch etwas anders gestalten würde und wenn es nur Kleinigkeiten sind. Zum Beispiel als Kevin mit Mena am Kühlschrank steht und er plötzlich ein Rosenblatt im Mund hat. Da haben wir beinahe eine 360 Grad Fahrt um ihn herum gemacht. Das konnte aber nicht die Kamera, weil zu wenig Platz war. Wir haben Kevin auf einen Tisch gesetzt und haben den Tisch gedreht. Das ist eine sehr erotische Szene, doch hier lief die Kamera auf Slow Motion, also mit sehr hoher Bildfrequenz. Es ist wirklich nicht sehr prickelnd, solch eine gefühlvolle Szene zu spielen und gleich neben dir macht eine Kamera „iiiiiiiiiiiiiiii„ so als ob sie gleich explodieren würde. Jedenfalls wurde der Raum dahinter perspektivisch etwas merkwürdig, durch diesen Trick. Das hätte ich gern anders gelöst. Außerdem würde ich jetzt viel eher chronologisch drehen. Ich würde auf keinen Fall mehr mit dem Fast Food Restaurant "Mr. Smiley" anfangen, sondern eher dort, wo der Film wirklich anfängt, in der Nachbarschaft, in der Familie, wo ich jeden Charakter aufbauen und vorbereiten kann. Es ist ja nicht wie im Theater, wo die Schauspieler im Spiel selbst immer chronologisch spielen können und das eine ganze Saison lang.


Zuschauer: Haben Sie denn etwas ganz bestimmtes für sich selbst gelernt, während der Produktion?


Mendes: Ob ich etwas für mich gelernt hätte? Ja, dass ich den Film, das Filmemachen liebe und auf jeden Fall wieder drehen möchte.


Zuschauer:  War es für einen Debüt-Film nicht ein sehr schwerer Stoff?


Mendes: Oh ja, das war er. Wenn ich nicht vorher die zehn Jahre Theater gehabt hätte, wäre das vielleicht nicht so gut ausgegangen. Ich bin durch die Theaterarbeit zu einem Storyteller geworden. Das Gegenteil davon ist ein Filmemacher. 




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