Montag, 21. September 2020

GÖTZ OTTO "Independent Filme"

 

PERSÖNLICHES GESPRÄCH: GÖTZ OTTO "INDEPENDENT FILME"
auf dem Snowdance Independent Filmfestival in Landsberg am Lech 2018


Götz Otto auf dem Snowdance Filmfestival, wo er 2018 Schirmherr war. 
Foto: Dennis Albrecht

UNSERERFILME: Kannst du kurz definieren, was für dich „Independent“ in Bezug auf den deutschen Markt bedeutet?


GÖTZ OTTO:  Klar. International bedeutet es, ohne Major Studio zu produzieren. In Bezug auf Deutschland würde ich eher sagen, ohne eine Anbindung an einen Fernsehsender. Vielleicht sogar ohne eine Förderung zu finanzieren und natürlich mit viel Rückstellung, Eigeninitiative und vor allen Dingen ohne Kollektiv im negativen Sinne. Damit meine ich, über Leute produzieren, die da in dein Produkt rein quatschen. Unabhängig bedeutet, einen Film  zu machen, ohne dass dir jemand sagt: „Du musst diesen oder jenen besetzen. Das muss noch rein, das muss weg.“ Also Independent bedeutet: Nah am Filmemacher. Das ist ein wahrer Filmemacher, der wirklich den Film machen kann, den er möchte, ohne das zu viele Leute rein quatschen.


UNSEREFILME: Jetzt bist du Schirmherr hier von einem Independent Filmfestival. Welche Filme würdest du als Independent bezeichnen, die du schon selber mitgemacht hast. Können wir da „Iron Sky“ mit hinein rechnen? Hast du deutsche Produktionen in dieser Form mitgemacht? Du hast auch viel in Frankreich gedreht. Fällt dir da etwas ein?


GÖTZ OTTO: Also ich habe gerade einen Kurzfilm in Frankreich gemacht, mit einem 17jähigen Regisseur, der das alles komplett selbst gestemmt hat. Mit seiner eigenen Familien hat er diesen Film finanziert. Der Film ist, glaube ich, auf über 50 Festivals gelaufen und hat 30 Preise gewonnen. Und meine zur Zeit aktuelle Arbeit ist gerade VESPER, ein sehr schöner Kurzfilm. https://www.youtube.com/watch?v=CbbVdm3vP-M
In Deutschland arbeite ich viel mit Hochschulen zusammen. Die sind im weitesten Sinne auch Independent, obwohl bei einer Hochschule auch immer ein Kollektiv dabei ist. Häufig geben die Hochschulprofessoren einiges vor und durch die Aufstellung der Hochschule selber. Aber trotzdem ist es nah an dem Filmemacher, der unabhängig ist.


UNSEREFILME: Was ist deine persönliche Meinung, was sich in Deutschland ändern muss?


GÖTZ OTTO: Also in dem "Landsberger Manifest", das wir in den letzten Tagen hier auf dem Snowdance erstellt haben, sind mir drei Sachen aufgefallen, die ich gut finde und wo man weiter darüber nachdenken muss. Die Quote bei den Öffentlich Rechtlichen Sendern sollte wurde in Frage gestellt. Ein Sender wird von Gebühren finanziert und hat somit einen bildungspolitischen Auftrag auszuführen. Der Sender sollte sich hat sich nicht an der Quote orientieren,  sonst gibt es nur noch überall die gleiche Suppe. Das ist echt schwierig. Das ist einer der wichtigsten Aspekte. Die Sender sollten sich von der Quote lösen und die Redakteure den bildungspolitischen Auftrag wahrnehmen. Sie müssten sagen: „Okay ich möchte als Redakteur wirklich einen Film machen hinter dem ich stehe. Ich möchte einen Film machen den ich nicht unter Verkaufs- oder Quotenargumenten machen muss, sondern weil ich den als Redakteur gut finde. Das finde ich persönlich schon mal sehr wichtig. Dann finde ich die Idee noch sehr gut, dass auch fertige Filme eine Relevanz bei der Filmförderung und bei den Sendern haben sollten. Also, dass es auch ein Tool geben sollte, um auch fertige Filme fördern zu können. Auch für die Leute, die den Film gemacht haben, sollte es Möglichkeiten geben nicht nur finanziell zu rebooten, sondern auch eine Anschubfinanzierung für den nächsten Film zu bekommen. Und ansonsten fände ich das auch gut, wenn es von einem öffentlichen Sender möglich wäre, eine Plattform aufzubauen, für Filme, die nicht aus dem Sender heraus entstanden sind.


UNSEREFILME: Mit der Aufhebung der Quote sprichst du einen eigentlich ziemlich radikalen Punkt in der Ausführung an. Ginge das so einfach, weil jener Maßstab ja schon sehr etabliert ist?


GÖTZ OTTO: Na ja, die Quote kam ja eher aus dem privatwirtschaftlichen Bereich. Es kam aus den 90er Jahren, wo private Sender gesagt haben, sie müssten damit ihre Werbeanzeigen und Preise argumentieren. Das war und ist für jene Sender sehr wichtig, sollte aber für einen öffentlich-rechtlichen Sender nicht gelten.


UNSEREFILME: Wie schätzt du VideoOnDemand ein? Gibt es auch neben Netflix und Amazon eine Chance für eine deutsche Idee?


GÖTZ OTTO: Da finde ich es zum Beispiel ganz gut, dass Netflix gar keine Zahlen rausrückt. Da fragt man sich ja auch, wie viele Leute das jetzt faktisch sehen. Netflix ist die Quote in diesem Augenblick aber vollkommen scheiss egal. Die produzieren erst einmal darauf los. Wie sie das machen weiss ich gar nicht. Aber das kann man sehen. So auch z.B. bei RTL 2 bei „Club der Roten Bänder“. Das ist eine Produktion, die ist ohne Redakteur entstanden ist. Da hat der Sender einfach nur gesagt: "Hier ist das Geld, mach uns dieses Programm." Und ein unverwässertes Produkt ist rausgekommen, das sehr erfolgreich war. 


UNSEREFILME: Ist der Beruf des Redakteurs also somit zum scheitern verurteilt oder müssen jene einfach nur umdenken?


GÖTZ OTTO: Da ist bei uns in Deutschland ein ziemlich großes Problem. Denn hier ist der Sender der Produzent des Films und trotzdem haben wir auch Fernsehproduzenten, die  auch Projekte und Stoffe generieren. Und da ist nach meiner Meinung nach wieder ein Kollektiv zu viel.  Denn da ist dann der Produzent, der dann sagt, was man machen soll und wie der Film auszusehen hat. Und dann gibt es aber auch noch den Redakteur, der Angst hat, sein nächste Budget für diesen oder dem nächsten Film zu verlieren. Ich sehe, dass sehr viel durch Angst geprägt ist. Diese Angst verhindert mutige Projekte.


UNSEREFILME: Kann man das amerikanische Wort „Showrunner“ in Deutschland anwenden?


GÖTZ OTTO: Showrunner entwickelt ja die Stoffe. Er ist sehr sehr autonom. So eine Situation haben wir in Deutschland überhaupt nicht. Es gibt kaum jemanden, der so autonom Stoffe entwickeln kann und auch Stoffe produzieren kann über einen langen Zeitraum. Da sehe ich gar keine Vergleichbarkeit. Wer soll das in Deutschland sein?


UNSEREFILME: Zum Abschluss: Du würdest also sagen, „Independent“ ist etwas frisches, innovatives, unverbrauchtes und du würdest das auch gerne weiter unterstützen?


GÖTZ OTTO: Für mich ist „Independent“ auf jeden Fall kulturelle Vielfalt. Und kulturelle Vielfalt muss  erst einmal entstehen bevor sie im Vorhinein zur Disposition gestellt wird. Man muss auch scheitern dürfen. Und darin liegt so ein bisschen das Problem. Independent Filme sollen und dürfen bei den Sendern NICHT scheitern. Dass man auch den Mut hat, scheitern zu können und es somit trotzdem tun zu können, das fehlt.


UNSEREFILME: Vielen Dank Götz Otto!



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